046 - Der Schatten des Werwolfs
Stühle leer. Rechts und links führten kunstvoll verzierte Treppen in die Obergeschosse.
»Wir bleiben beisammen«, sagte Cohen zu den anderen.
Der Reihe nach öffnete er die Türen in der Halle, doch alle Zimmer waren leer.
»Wir sind zu spät gekommen«, sagte er bitter.
»Da ist wer!«, schrie Archer plötzlich.
Er hatte eine Zimmertür geöffnet, und Cohen lief zu ihm.
Zwei junge Mädchen saßen vor einem Tisch. Die Hände hatten sie auf der Tischplatte liegen. Ihre Gesichter waren leer und die Augen geschlossen.
»Sie sehen aus, als wären sie in Trance«, sagte Archer. »Die beiden habe ich schon gestern gesehen. Sie servierten das Essen und die Getränke.«
Cohen nickte und ging auf die jungen Frauen zu. Er blieb vor dem Tisch stehen und hob die rechte Hand. Das Amulett bewegte sich leicht, und die Lider der Frauen fingen zu flattern an.
»Beide sind magisch beeinflusst«, stellte Cohen fest.
»Sie nehmen das alles so gelassen hin, Cohen«, sagte Archer misstrauisch. »Sie wissen mehr, als …«
»Tut mir Leid, Archer«, unterbrach ihn Cohen, »es ist besser, wenn ich Ihnen nicht alles sage. Seien Sie so freundlich und gehen Sie bitte aus dem Zimmer! Ich werde versuchen, die Mädchen aufzuwecken.«
Archer warf ihm einen misstrauischen Blick zu.
»Sehen Sie in den anderen Zimmern nach, Archer!«, rief ihm Cohen nach. »Ich bin zwar ziemlich sicher, dass die Lorrimers das Haus verlassen haben, aber vielleicht entdecken Sie irgendwelche interessanten Spuren.«
Archer schloss die Tür, und Cohen starrte die jungen Frauen an.
Er konzentrierte sich auf die Jüngere. Sie konnte kaum älter als achtzehn sein. Ein hübsches schwarzhaariges Mädchen. Er beugte sich vor und versetzte das Amulett in kreisende Bewegungen. Die Lider der jungen Frau flatterten stärker, und die Finger verkrallten sich in der Tischplatte. Als das Amulett gegen ihre Wange prallte, stieß die junge Frau einen lauten Schrei aus. Cohen drückte das Amulett gegen die Stirn der Schwarzhaarigen. Sie hob ihre Hände, gab einen gurgelnden Laut von sich und sackte in sich zusammen. Cohen sprang um den Tisch herum, fing die junge Frau auf und legte sie sanft auf den Boden. Dann kniete er nieder und drückte immer wieder das silberne Amulett auf ihre Stirn. Sie warf den Kopf hin und her, hob abwehrend die Hände, versuchte der Wirkung des Silbers zu entgehen, doch Cohen ließ nicht locker. Die ersten Erfolge bestärkten ihn in seinem Tun. Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, bis die junge Frau nicht mehr auf das Amulett reagierte. Sie lag bewegungslos auf dem Rücken, und ihre volle Brust hob und senkte sich regelmäßig.
Er wartete einige Minuten, dann rüttelte er an den Schultern der Bewusstlosen. Sie brummte unwillig, doch Cohen war sich sicher, dass es ihm gelungen war, den magischen Bann von ihr zu nehmen. Immer wieder schüttelte er sie, und endlich schlug sie die Augen auf und sah ihn verwundert an.
»Wer sind Sie?«, fragte sie überrascht und setzte sich auf. »Und wo bin ich?« Ihre Augen weiteten sich plötzlich. Sie warf Cohen einen ängstlichen Blick zu. »Gehören Sie auch zu ihnen?«
»Zu wem?«
»Zu den Lorrimers.«
»Nein«, sagte Cohen und lächelte. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Sie sind in Sicherheit. Nichts kann Ihnen geschehen.«
»Ich kann es nicht glauben«, hauchte sie. »Es war alles so entsetzlich. Ich sah, wie sie sich verwandelten, in unheimliche Bestien. Und dann …«
Sie senkte den Blick. Ihre Brust hob und senkte sich rascher.
»Beruhigen Sie sich«, sagte Cohen sanft. »Wo sind die Lorrimers?«
»Fort«, sagte die junge Frau. »Sie sind heute fortgefahren.«
»Wohin?«
»Ich weiß es nicht genau. Ich hörte irgendetwas von der Südsee. Sie wollten heute hinfliegen.«
»Können Sie sich an den gestrigen Abend erinnern?«
Sie nickte.
»Was geschah da?«
»Die Lorrimers hatten Besuch. Fünf Männer. Ann und ich«, sie zeigte auf die junge Frau, die noch immer im magischen Einflussbereich stand, »mussten servieren. Dann verwandelten sich die Lorrimers in Bestien und zogen sich mit ihren Opfern zurück. Danach feierten sie weiter. Heute servierten wir ihnen noch ein Frühstück. Dann fuhren sie alle los – zum Flughafen. Uns ließen sie zurück. Wir mussten uns in dieses Zimmer setzen, und plötzlich konnte ich mich nicht mehr bewegen.«
Cohen nickte, öffnete die Tür zur Halle und rief Sullivan zu sich. Er erzählte ihm, was er von der jungen Frau erfahren hatte. Sullivan ging zum
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