0460 - Gestehen Sie den Mord, Phil Decker!
schweren, trockenen Zunge, »hiermit nehme ich Sie fest unter dem dringenden und begründeten Verdacht, den Kaufmann Aldo Lorentio entführt zu haben.«
Ich wußte nicht, ob ich lachen oder heulen sollte, als ich die Litanei, die ich bis dahin schon hundert- oder tausendmal heruntergeleiert hatte und die mir jetzt so unsagbar blödsinnig vorkam, fortsetzen mußte.
»Ich werde einen Haftbefehl gegen Sie beantragen und mache Sie darauf aufmerksam, daß alles, was Sie von nun an sagen, im Sinne der Anklage gegen Sie verwendet werden kann.«
»Ich verlange einen Anwalt!« sagte Phil mit fester Stimme.
»Haben Sie einen bestimmten Wunsch in dieser Richtung?« fragte John D. High. »Wenn nicht, so können Sie sich darauf verlassen, daß ich als Dienstvorgesetzter alles in meiner Macht Stehende tun werde, um ihnen die Verteidigung zu ermöglichen.«
Phil schüttelte den Kopf.
»Ich habe es mir überlegt, vorerst möchte ich keinen Anwalt haben. Ich wünsche nur, daß die Ermittlungen mit Dampf weitergetrieben werden.«
»Selbstverständlich!« sagte Mr. High.
Plötzlich sah mich Phil an.
»Von dir, Jerry! Untersteh dich nicht, jetzt zu kneifen, nur, weil es gegen mich geht!«
***
Jack Wonderby fluchte. Aber selbst das half nicht. Die Augenlider waren bleischwer, in seinem Kopf summte ein Bienenschwarm, und seine Arme schienen gelähmt zu sein. Nach einigen Versuchen gelang es ihm, die Augen zu öffnen. Jack lag auf dem alten Gerümpel. Es stank, und es war düster. Jack wollte raus. Er raffte sich mühsam hoch und taumelte an einer rauhen Wand bis zu einer Türöffnung.
Gerade schimmerte ein Hauch Sonne durch die Wolken, und Wonderby mußte geblendet die Augen schließen. Was er jetzt gesehen hatte, veranlaßte ihn jedoch, sie schnell wieder einen schmalen Spalt weit zu öffnen.
Er hatte sich nicht getäuscht. Vor ihm lag die Mott Street in ihrer ganzen Häßlichkeit und Trostlosigkeit. Leichter Dunst lag über der Straße, und durch diesen Dunst beleuchtete die Wintersonne das Gewirr von Feuertreppen, Mauern, Baikonen, Kaminen und Fernsehantennen; sie beleuchtete die ganze Szenerie des Ostens von Manhattan.
»Tatsächlich«, murmelte er, »so häßlich kann es in der Hölle gar nicht sein. Das ist die Mott Street. Ich lebe noch!«
Einerseits war er mit diesem Tatbestand sehr zufrieden. Andererseits bedrückte ihn aber der Umstand, daß ihm irgend jemand einen verteufelt harten Gegenstand mit ziemlicher Wucht auf den Schädel geschlagen hatte.
Schemenhaft erinnerte er sich an dieses peinliche Ereignis. Er war aus Bolls Laden gekommen und die Straße hinuntergegangen. Und er hatte dann ein Geräusch gehört, aus einem Hausflur. Und dann…
Blitzschnell wurde der Verbrecher ganz wach. Seine Hände fuhren über seine Kleidung. Die Pistole war weg. Wonderbys Hand fuhr in die Brusttasche. Sein Geld war weg.
Alles war weg. Auch der Darlehensvertrag. Und Ritchies Adressenliste.
»Ritchie!« erschrocken murmelte Jack Wonderby den Namen.
Niemals würde ihm Winslow die Geschichte von dem Geräusch im Hausflur glauben, die Story von einem Unbekannten, der einem Jack Wonderby die Pistole und noch einige andere Gegenstände abgenommen haben soll.
Dem Killer wurde erneut schwarz vor den Augen. Es war aber nicht nur die Nachwirkung des Schlages auf den Kopf, noch mehr war es die Vorahnung kommender Unannehmlichkeiten, die ihm Ritchie Winslow bereiten würde.
Fieberhaft suchte Jack in seinen Taschen.
Zum erstenmal an diesem Tage hatte er Glück. Der Unbekannte, der ihn ausgeraubt hatte, hatte ein einziges Dollarstück in der Tasche der rosaroten Nylonweste nicht gefunden.
Mit diesem Dollar in der Hand stolperte Jack Wonderby der nächsten Kneipe entgegen. Mit rauher Stimme forderte er einen doppelten Gin und das Telefon. Ein schlampiger Wirt füllte das Schnapsglas und deutete mit seiner roten Nase auf den Apparat, der - halb verdeckt von einer Zeitung - auf der Theke stand.
Wonderby schüttete den Gin in seine Kehle und nahm den Hörer ab. Während er bereits wählte, ließ er sich eine Geschichte einfallen. Er akzeptierte dabei den ersten passenden Namen, der ihm in diesem Moment einfiel.
»Jack ist hier«, keuchte er in den Hörer, als sich auf der anderen Seite Winslows Stimme gemeldet hatte, »ich bin überfallen worden.«
»Was ist das?« klang es zurück. »Du bist… Wer war das? Hast du die Liste noch?«
»Nein, die haben sie mir geklaut?«
»Wer? Wer hat das getan?« tobte Winslow.
»Chuck Deeph mit
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