0462 - Der Witwenmacher von New York
sämtliche Mitglieder unseres Vereins in meinem Lokal. Wir wollten einen neuen Anführer wählen. Du warst nicht vorgesehen. Wir kannten dich nicht und wollten uns nicht von irgendeinem Boy kommandieren lassen. Komm morgen zur Versammlung. Du wirst bestimmt einstimmig gewählt, wenn du dich verpflichtest, den Tiger zu erledigen.«
Ich mußte einen Augenblick überlegen. Lefftys Vorschlag war eine Ungeheuerlichkeit. Sollte ich, der G-man Jerry Cotton, mich zum Anführer der Mafia wählen lassen? Aber dann wischte ich alle Bedenken mit einem Schlag beiseite.
Ich kämpfte gegen die Mafia und gegen den Tiger. Sämtliche Mittel, die im Rahmen des Erlaubten waren, mußte ich in diesem Kampf benutzen. Rücksichtnahme gab es nicht.
»Mir steht die Führung der Mafia sowieso zu«, hörte ich mich selbst reden. »Ich werde morgen kommen. Und ich werde den Tiger stellen.«
Dann drehte ich mich um und verließ langsam den Raum.
»Hoffentlich«, hörte ich Leffty Cormorans leise Stimme hinter mir. Mit einem Male wußte ich, daß selbst die Unterwelt, die mächtige Mafia, vor einem Kaller wie dem Tiger zitterte. Nur eins paßte nicht ins Bild. Killer sind meist nicht sehr intelligent. Sie haben irgendeine Masche, irgendeinen Trick. Genau wie der Tiger. Aber sie sind nicht die eigentlichen Urheber ihrer Verbrechen. Sie sind nur ausführende Organe in den Händen noch skrupelloserer Menschen.
War Tiger eine Ausnahme oder stand noch jemand hinter ihm?
***
Ich betrat Mr. Highs Zimmer, um ihm Bericht zu erstatten.
Er war nicht allein. Phil und ein Fremder saßen noch im Raum.
Mr. High machte uns bekannt. Der Besucher war Mr. Stebbin Lodge, seit einigen Jahren Großaktionär und damit Generaldirektor der Riverside-Bank. Er war einer jener Männer, der sich den Generaldirektorenposten nicht erarbeitet hatte, sondern ihn von einem Tag auf den anderen bekommen hatte, weil er mit einem großen Aktienpaket in die Gesellschaft der Bank eingestiegen war. Welchen erlernten Beruf Lodge hatte, wußte niemand zu sagen. Plötzlich war er als Finanzmann aufgetaucht.
Lodges Gesicht wirkte undurchdringlich und beherrscht. Er war kurz vor mir ins Zimmer gekommen und begann nun mit seinem Bericht.
»Vier Kassierer sind in den letzten Tagen aus meinen Filialen verschwunden. Vier biedere Leute, die jeweils mehr als zwanzig Jahre ihren Dienst treu und zuverlässig versehen hatten.«
»Ist Ihnen Geld abhanden gekommen?« fragte Mister High.
Lodge nickte. »Natürlich! Erst habe ich es gar nicht einmal mit dem Verschwinden der Kassierer in Zusammenhang gebracht. Es fehlen mittlerweile dreihunderttausend Dollar. Das ist viel Geld. Es wäre noch nicht einmal aufgefallen, wenn nicht zur Zeit in unseren Filialen Revision wäre. Die Kassierer hatten eine derartige Vertrauensposition, daß sie mir monatlich nur einmal Rechenschaft geben mußten.«
»Und alle vier sind plötzlich spurlos verschwunden?«
»Nein. Tagelang galten sie als krank. Ich weiß jetzt,- was geschehen ist. Die Kassierer starben. Man fand sie in Hotelzimmern wieder. Wennn Sie meine Leute gekannt hätten, würden Sie das für höchst merkwürdig halten.«
»Man schaut einem Menschen nur vor den Kopf«, warf Mr. High ein.
Lodge winkte ab. »Ich habe lange mit ihnen zusammengearbeitet. Seit ich in die Bank eingetreten bin. Sie hatten oft viel größere Summen zur Verfügung, als mir jetzt fehlen. Jeder von ihnen hätte die Bank um wenigstens eine Million erleichtern können. Aber sie haben nur kleine Beträge genommen. Da stimmt etwas nicht. Der Tod der Leute ist für mich jedenfalls unerklärlich.«
»Woran sind sie denn gestorben?« fragte ich.
»An Darmverschlingung«, antwortete Lodge.
Phil und ich blickten uns vielsagend an. Vorsichtigerweise fragte ich noch einmal. »An Darmverschlingung?«
»Richtig. Und ich finde es zumindest seltsam, daß alle vier an dieser einen, seltenen Krankheit gestorben sind.«
»Da haben Sie allerdings recht, Mr. Lodge«, gab Phil zu. »Wir brauchen eine Liste Ihrer anderen Kassierer, die in der gleichen Stelle sind, die gleichen Lebensgewohnheiten haben und das gleiche Alter.«
Lodge griff in seine Tasche und brachte ein Aktenbündel zum Vorschein. »Ich habe Ihnen schon sämtliche Unterlagen mitgebracht. Dachte mir gleich, daß Sie die Sache interessieren würde«, meinte er und reichte uns die Akte.
Mr. High sah uns an. »Übernehmt ihr den Fall, oder seid ihr zu sehr beschäftigt?«
»Er gehört uns bereits«, sagten Phil und ich im
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