0471 - Schandturm der Templer
hineinstachen, als wären sie durch Pinselstriche gezeichnet worden.
Plötzlich hörten wir Schritte.
Sofort zogen wir uns zurück. Noch brauchte uns niemand zu sehen. Die Schritte waren unter uns erklungen. Wir vernahmen auch das Kollern kleiner Steine, die ihren Halt verloren hatten, weil sie berührt worden waren.
Suko und ich hatten uns tief geduckt und hinter zwei Steinen Deckung gefunden. Vorsichtig schielten wir um die Ecke und sahen plötzlich einen schmalen Schatten, dem einen Moment später eine Gestalt folgte.
Eine Frau!
Nein, eigentlich noch ein junges Mädchen von höchstens zwanzig Jahren.
Sie keuchte. Ihr Gesicht war von der Anstrengung des Laufens hochrot angelaufen. Das lange Blondhaar wehte im Wind. Ihr Gesicht war rund, leidlich hübsch, und was der tiefe Ausschnitt des Kleides zeigte, erfreute so manches Männerauge.
Suko warf mir einen verständnislosen Blick zu und hob die Schultern. Auch ich wußte nicht, was die Kleine hier wollte, denn es sah nicht so aus, als wollte sie noch weiter den Berg hochgehen.
Wahrscheinlich hatte sie ihr Ziel erreicht, um hier eine Aufgabe zu erledigen.
Wir würden sehen.
Das Mädchen schritt dorthin, wo die meisten Steine lagen. Sie umging sie in einem Kreis, und uns fiel eigentlich erst jetzt auf, daß auch die Steine einen Kreis bildeten.
Das hatte etwas zu sagen.
Während die Kleine ging, beugte sie ihren Kopf den Steinen entgegen und murmelte Worte, die so leise gesprochen waren, daß wir sie nicht verstehen konnten.
Aber einen Namen hörten wir doch, und der ließ uns beide zusammenzucken.
Baphometh!
»Hier sind wir richtig«, sagte Suko, hielt aber sofort den Mund, denn das Mädchen war stehengeblieben.
Hatte sie uns gehört?
Die Unbekannte lauschte. Sie drückte ihr Ohr in die Windrichtung, mehr sahen wir nicht, weil wir uns beide noch mehr zusammengeduckt hatten und hinter den Felsen verschwanden.
Etwa 30 Sekunden vergingen, dann bewegte sich Suko wieder vor und schielte am Felsen vorbei. Er nickte mir zu, ein Beweis, daß alles in Ordnung war.
Auch ich sah dorthin, wo sich das Mädchen im hellblauen Kleid befand. Sie hatte den Kreis noch immer nicht verlassen, stand breitbeinig da, reckte und streckte sich. Die Bewegungen hatten etwas Laszives an sich. Es sah aus, als wollte sie sich für einen Zuschauer zur Schau stellen.
Damit konnten wir wohl nicht gemeint sein. Die Unbekannte ließ ihren Blick in den Himmel schweifen, die nähere Umgebung interessierte sie überhaupt nicht.
Dann sank sie zu Boden. Mich erinnerte sie an eine Tänzerin, die dem Publikum einen schönen Tod vorführte.
Sehr grazil setzte sich das Mädchen nieder. Die hohen Steine deckten sie jetzt. Wir konnten nur dann etwas von ihr sehen, wenn der Wind mit ihren Haaren spielte und einige Strähnen am Felsen vorbei zur Seite wehte.
Suko deutete mit dem Finger in die Höhe und schaute mich dabei fragend an.
Ich war einverstanden und stand als erster auf. Die Kleine saß so, daß sie uns den Rücken zudrehte.
Wenn wir uns sehr langsam bewegten, würde sie uns nicht hören.
Wir nahmen sie praktisch in die Zange und näherten uns von zwei verschiedenen Seiten. Abermals hörten wir ihr Flüstern, das nur aus einem Begriff bestand.
Baphometh!
Verdammt noch mal. Was hatte eine Person wie diese junge Frau mit dem Teufel Baphometh zu tun? Wenn sie eine Hexe war, davon hatte es leider welche gegeben, dann stand sie nicht Baphometh nahe, sondern Asmodis, dem anderen Teil des absolut Bösen.
Sie wirkte nicht wie jemand, der eine bestimmte Person beschwören wollte. Dieses Mädchen rief nach ihr, und es schien sich sicher zu sein, daß sie die Person genau an dem Ort im Kreis der Steine finden konnte.
Wir gingen jeder noch zwei Schritte vor und blieben dann stehen. Über die Rundungen der Steine schielten wir hinweg auf das helle Haar und den Rücken des Mädchens.
Es saß noch innerhalb des Steinkreises, hatte sich aber zur Seite gebeugt und den Kopf so weit gesenkt, daß Haarsträhnen den staubigen Boden berührten. Den Blick hielt sie auf eine bestimmte Stelle gerichtet, der rechte Arm war ausgestreckt.
Und sie sagte wieder den Namen. »Baphometh!«
Diesmal sprach sie mit einer Stimme, die fremdartig klang. Sie glich mehr einem Röhren.
Das Wort war kaum verklungen, als die Unbekannte zusammenzuckte. Wir hörten ihren durchdringenden Schrei, sahen sie kippen, sprangen vor und erkannten, was geschehen war.
Aus dem Boden ragte ein brauner, leicht faulig wirkender
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