0471 - Schandturm der Templer
Schulter berührte. Endlich hob sie den Kopf.
Ich lächelte sie an.
Ihre Augen waren verweint, das Kleid schmutzig. Sie roch nach Schweiß und rückte ängstlich von mir ab.
»Bleib hier«, sagte ich.
»Non, non. Ich kann nicht.« Sie preßte eine Hand gegen den Mund, schaute mich an, dann Suko und wollte aufspringen. Dabei trat sie auf den langen Saum ihres Kleides, stolperte und wäre gefallen, hätte mein Freund sie nicht aufgefangen.
»Langsam, langsam«, sagte er und setzte das Mädchen wieder an seinen Platz.
Ich hoffte, daß sie etwas von ihrer Schüchternheit verloren hatte, und fragte nach ihrem Namen.
»Dominique.«
»Das ist doch immerhin etwas.« Dann stellte ich Suko und mich vor. »Wir könnten Freunde werden.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ihr… ihr seid nicht von hier. Ihr seid Fremde. Ich will mit Fremden nichts zu tun haben, versteht Ihr?«
»Nicht ganz, aber ich kann begreifen, daß du mißtrauisch bist. Vor allen Dingen wegen Baphometh.«
Dominique schrak zusammen, als ich den Namen erwähnte. Ich schien damit etwas Unantastbares angerührt zu haben. »Sprecht den Namen nicht so aus«, flüsterte sie. »Er ist gefährlich.«
»Das war er.«
»Ich gehöre ihm.«
Mit dieser Antwort hatte sie uns überrascht. »Wieso gehörst du ihm?«
»Das ist klar. Sie haben mich dazu ausersehen. Ich mußte mich opfern. Wir wollen ihm beweisen, daß wir mit der Sache damals nichts zu tun gehabt haben.«
»Mit welcher Sache?«
»Es ist schon gut.«
Ich fragte sie anders. »Du bist also an diese Stelle gegangen, um Baphometh zu treffen?«
»Nein, nicht ihn.«
»Gut, wen dann?«
»Das ist ein verfluchter Platz. Sie haben ihn hier oben verscharrt, wo die Erde des Teufels ist. Nach der Hinrichtung wurde er von einigen Soldaten an diesen Fleck gebracht und begraben. Man sagt dem Ort nach, daß hier Baphometh erschienen sein soll. Hier wächst nichts mehr. Keine Blume, kein Wein, kein Gras. Alles wirkt so leer und verbrannt. Das ist der Ort für ihn gewesen.«
»Von wem sprichst du?«
»Er hieß Esquin de Floyran. Er war ein Templer, ein Verräter. Man hat ihn geköpft, aber der Kopf verschwand, und den Körper verscharrte man hier.«
»John«, sagte Suko, »der Name ist mir nicht unbekannt. Den haben wir schon gehört.«
»Meine ich auch.«
Dominique fragte: »Stammt ihr aus Paris? Oder vielleicht aus einem fernen Land?«
»Das ferne Land ist schon eher richtig.«
»Deshalb seid ihr so ungewöhnlich gekleidet.«
Ich achtete nicht auf ihre Worte und nickte Suko aufmunternd zu. Mein Freund gab auch eine kurze Erklärung ab. »Esquin de Floyran«, sagte er. »Durch sein Handeln und angebliches Verrätertum hat er praktisch den Vernichtungszug gegen die Templer eingeleitet. Durch ihn konnte Nogaret seine Intrigen spinnen, das ist Historie. Man hat nie erfahren, was genau mit Floyran passierte. Man weiß nur, daß er getötet wurde.«
»Als Geköpfter«, bemerkte ich.
»Und jetzt haben wir seinen Körper noch einmal getötet, als er aus der Erde kam.«
»Fragt sich nur, wo sich der Kopf befindet?«
Wir wußten keine Antwort, dafür Dominique. »Der Kopf«, hauchte sie. »Der Kopf ist dabei am wichtigsten. Er darf nicht mehr töten.«
»Moment, wieso darf er nicht mehr töten?«
»Wie ich es Euch sagte, Ihr Herren. Ich bin dazu auserwählt worden, ihn gnädig zu stimmen.«
Das sind ja Methoden wie im Mittelalter, wollte ich sagen, doch mir fiel gerade rechtzeitig genug ein, daß wir uns ja in dieser Zeit befanden. »Noch einmal von vorn, bitte. Dominique. Ich komme da nicht ganz mit, und mein Freund auch nicht. Du hast dich für ihn opfern wollen?«
»Nein, für das Dorf und die Menschen.«
»Weshalb denn?«
»Damit er nicht mehr mordet.«
»Wer? Der Körper…«
»Der Kopf, edler Herr. Ja, der Kopf. Er erscheint plötzlich und tötet grausam.«
Allmählich sahen wir klarer. »Wie viele Menschen sind schon getötet worden?« wollte Suko wissen.
»Viele. Er kommt immer dann, wenn man ihn nicht erwartet. Des Nachts, auch tagsüber. Er besitzt die Kraft Baphomeths, dem er gedient hat. Versteht Ihr?«
»Nicht ganz«, gab ich zu.
»Was soll ich Euch noch sagen?«
»Alles!« verlangte ich.
»Es ist der Kopf de Floyrans, der so mordet. Hier hat man seinen Körper begraben. Er war Baphometh immer zugetan. Und Baphometh hat ihn nicht verstoßen. Er ist die Kraft, die den Kopf leben läßt. Schon nach der Hinrichtung, so erzählt man sich, verschwand er aus dem Korb. Wenig später
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