0471 - Schandturm der Templer
ich blieben zurück. Der Wirt stand unter Strom. Ich merkte ihm an, daß es in ihm arbeitete. Einen Schritt trat ich auf ihn zu und stand so nahe, daß ich die Ausdünstung seiner Kleidung riechen konnte. Es war ein säuerlicher Gestank.
»Was hast du jetzt vor?«
»Nichts, gar nichts.«
Er log das Blaue vom Himmel herunter. Ich bekam sein schmutziges Hemd dicht unter dem Hals zwischen die Finger und drehte den Stoff zusammen. »Du wirst nichts machen, hast du verstanden? Gar nichts. Du wirst auch niemanden warnen!«
Er nickte, aber es war fraglich, ob ich ihm überhaupt glauben konnte. Als ich ihn losließ, atmete er auf. Mit dem Handrücken wischte er über seine Lippen. »Wer seid Ihr?« keuchte er.
»Fremde.«
»Aus Paris?«
»Nein, aus einer…« Ich winkte ab. Es hatte keinen Sinn, ihm dies erklären zu wollen. Ich dachte darüber nach, ihn »schlafen« zu legen, verzichtete aber darauf und hoffte nur, daß seine Furcht groß genug war, ihn vor Fehlern zu bewahren.
»Danke für den Wein«, sagte ich noch und verließ das Gasthaus.
Dominique und Suko hatten vor der Tür gewartet. Sie standen im Schatten, ich sah sie erst im letzten Augenblick, als mir mein Freund entgegentrat.
»Es ist alles ruhig!« meldete er.
»Gut.«
»Allerdings glaube ich an eine trügerische Ruhe.« Suko schaute sich um. Er deutete dabei auf die dunkel gewordenen Hausfronten. Manchmal leuchtete ein armselig wirkendes Licht hinter den Fenstern. »Das Gefühl, von vielen Seiten beobachtet zu werden, das steckt in mir. Es läßt sich nicht vertreiben.«
»Das ist auch so«, flüsterte Dominique. »Hier in Belpech haben die Mauern Augen und Ohren.«
»Wird man uns verfolgen?« fragte ich.
Sie hob die Schultern. »Wäre ich allein gewesen, ja. So aber seid ihr bei mir. Da werden sich die Menschen nicht trauen. Sie kennen euch nicht. Sie wissen nicht, wer ihr seid. Vielleicht später.«
»Dringen sie auch in die Burg ein?«
Dominique schüttelte heftig den Kopf. »Das werden sie nicht wagen. Nein, das glaube ich nicht.«
»Dann laßt uns von hier verschwinden.« Ich drehte mich ohne Vorwarnung um und sah den Wirt in der offenen Tür stehen. Er starrte uns nach, wie uns die Dunkelheit verschluckte. Hoffentlich hielt er sich zurück.
Dominique kannte sich aus. Sie versprach, uns auf dem schnellsten Weg zur Burg zu führen. Hinter dem Gasthaus begann ein schmaler Pfad, der bereits nach wenigen Metern anstieg und einen Hang hinaufführte. Er lag nicht frei. Zu beiden Seiten duckten sich die Häuser. Manche so niedrig, daß ich über sie hinwegschauen konnte.
Es war sehr dunkel. Eine bläuliche Finsternis, in der noch der Geschmack von trockenem Staub lag.
Das Zeug hatte sich wie feiner Puder auf unsere Gesichter gelegt. Ich schmeckte ihn.
Licht brannte hinter den Fenstern keines. Manchmal starrten wir in die viereckigen Öffnungen hinein, ohne auch nur eine Bewegung wahrnehmen zu können.
Hoch über uns waren die ersten Sterne am Firmament erschienen. Sie grüßten als hellgelbe Diamantsplitter, und zwischen ihnen stand, wie herausgeschnitten, die Sichel eines Halbmonds.
Darunter, trutzig und für die Ewigkeit gebaut, sahen wir die Burg. Sie erinnerte an eine Festung.
Auch auf ihr leuchtete keine Fackel. In der Finsternis stand sie stumm und drohend.
In diesem Augenblick, wir hatten die letzten Häuser fast hinter uns gelassen, blitzte es schräg über und gleichzeitig auch vor uns auf. Suko war vorgegangen Er blieb stehen. Neben mir verhielt auch Dominique ihren Schritt, und ich vernahm ihren leisen Ruf.
»Das ist der Kopf!«
Sie hatte sich nicht geirrt. Genau an der Stelle, wo wir das Blitzen gesehen hatten, materialisierte sich ein Gegenstand hervor.
Der Mörderschädel!
***
Zunächst taten wir nichts!
Wir standen da und sahen ihn an. Trotz der Dunkelheit konnten wir Einzelheiten erkennen, weil im Innern des Kopfes eine gewisse Helligkeit rotierte, die auch gegen die Haut strahlte, und sie gab das Licht nach außen weiter.
Es war ein Menschenkopf mit einem Haarwirrwarr auf dem Schädel, der mich an Draht erinnerte.
Mir kam die Haut schmutzig und eingefallen vor. Das hinter ihr leuchtende Licht besaß einen grünroten Schimmer. Es ließ auch deutlich die Spuren, Wunden und Kratzer auf den Wangen erkennen, und wir sahen das weit geöffnete Maul.
Ob dieser Schädel nun mit Vampirzähnen ausgerüstet war, ließ sich nicht sagen. Zudem zeigte es sich nicht lange genug, denn blitzschnell huschte er weg.
»Das… das
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