0471 - Schandturm der Templer
aus.
Ein kalt wirkender Steinboden reflektierte einen Teil des Lichts. Wände und Decke zeigten eine gerade, schnörkellose Architektur. Dies hier war die typische romanische Bauweise, keine verspielte Gotik.
»Und wo halten sich die Ritter meistens auf?« wandte ich mich flüsternd an Dominique.
»Ich weiß, daß sie nach ihrer Rückkehr stets zu den Betstühlen gingen.«
Suko lachte leise. »Hatten sie es so nötig?«
»Ja«, erwiderte das Mädchen ernst. »Sie sprachen immer von einer Schuld, die sie auf sich geladen hatten. Sie mußten einfach sühnen. Versteht ihr das?«
»Noch nicht ganz. Vielleicht werden wir von ihnen die Erklärungen bekommen.«
»Es ist gleich hinter dieser Halle«, berichtete Dominique mit leiser Stimme. »Macht bitte keinen Lärm. Sie wollen nicht gestört werden.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.«
So ganz traute ich den Worten des Mädchens nicht. Auch Suko war skeptisch, wie ich am Heben seiner Schultern erkannte. Wir hatten jetzt beide unsere kleinen Lampen eingeschaltet, folgten den Strahlen und schritten dabei auf eine große Doppeltür zu, die sich verhältnismäßig leicht aufstoßen ließ, als die vorgehende Dominique es schaffte, mit beiden Händen die Flügel aufzudrücken.
»Sie sind da!« flüsterte sie.
Ich hatte sie zwar noch nicht gesehen, glaubte ihr aber und schob mich an ihr vorbei.
Suko folgte mir auf den Fuß.
Diese Schloßhalle war wesentlich kleiner als die, die hinter uns lag. Auch hier herrschte die strenge Geometrie vor, und wir sahen etwas, das uns staunen ließ.
An einer Seite des Raumes standen die vier dunklen Betstühle der Ritter. Sie sahen aus wie kleine Buden, in die man sich verkriechen konnte. Ob jemand darin saß, konnten wir erst erkennen, als wir die Vorhänge zur Seite zogen.
Suko und ich hatten einen freien Blick in die Bet- oder Beichthäuschen.
»Nein!« hörte ich das scharf gesprochene Wort meines Partners und wußte, daß er das gleiche entdeckt hatte wie ich.
Der Mann vor mir hockte zusammengesunken auf der Bank. Vom Kinn her rann ein breiter Blutstreifen und versickerte in seiner Kutte.
Der Ritter war tot!
***
Ich ballte die freie Hand zur Faust, blieb sekundenlang stehen, hörte Dominique schluchzen, öffnete zusammen mit Suko die nächsten beiden Gebetstühle und entdeckte das gleiche.
Vier Ritter - vier Tote!
Es sah so aus, als hätten sie sich selbst die Kehlen durchgeschnitten, denn ihre Dolche hielten sie nach wie vor fest, und wir sahen auch das Blut an den Klingen.
»Wieso, John?« fragte mich mein Freund.
»Ich weiß es nicht. Hast du eine Erklärung, Dominique?«
»Non, non.« Sie gab die Antwort hastig. Vielleicht log sie auch.
»Der Kopf ist es wohl nicht gewesen«, bemerkte Suko, »dann hätten sie nicht ihre Messer in den Händen.«
»Ja, sie taten es selbst.«
Suko ging an mir vorbei. »Schau dir mal ihre Kleidung an, John. Fällt dir was auf?«
»Sie tragen keine Rüstungen.«
»Das meine ich nicht.« Der Inspektor ließ den Lampenstrahl auf- und abwandern. »Es ist vielleicht gewagt, aber ich erinnere mich an die Totenwächter. Trugen sie nicht die gleiche Kleidung?«
»Ja, das stimmt.«
»Eben.« Mein Freund schüttelte den Kopf. »Weiter, John, weiß ich allerdings auch nicht.«
Ratlosigkeit ist keine gute Motivation. Ich ging an den Gebetsstühlen entlang. Die Vorhänge zitterten leicht im Windzug oder wenn ich sie mit den Schultern berührte.
Die vier Ritter hatten die gleichen Haltungen eingenommen. Sie waren nach rechts gefallen, stützten sich an den seitlichen Wänden ab. Die Köpfe waren nach vorn gesunken, die Kinne berührten die Brust, wo sich die Kleider mit Blut vollgesaugt hatten. Es war noch nicht getrocknet. Sehr lange konnten die Ritter noch nicht tot sein.
»Sie müssen an diesem Abend gestorben sein«, sagte ich leise. »Und ich frage mich weiter, ob ihr Tod mit unserer Reise zusammenhängt.«
»Bestimmt«, meinte Suko. Er stand neben dem Mädchen.
Dominique begann zu reden. »Ihre Schuld ist einfach zu groß geworden. Sie mußten es tun. Wahrscheinlich haben sie eingesehen, daß sie den falschen Weg gegangen sind.«
»Und was jetzt?« fragte ich.
Sie hob die Schultern. »Ich weiß es nicht genau. Glaube aber nicht, daß sie ihren ewigen Frieden gefunden haben.«
Diese schlicht gesprochenen Sätze ließen mich aufhorchen, denn in ihnen steckte eine tiefe Wahrheit. Es war gut möglich, daß sie ihre Ruhe nicht gefunden hatten und ihre Seelen in irgendwelchen
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