0473 - Jerry Cotton läßt schön grüßen

Erstaunen. Ich aber sah, daß er das, was er mir eben sagte, völlig ernst gemeint hatte.
    »Hywood, jetzt machen Sie keinen Scherz. Haben Sie tatsächlich mit Jerry gesprochen?«
    »Ja, natürlich. Ich kenne doch Jerry. Und er kennt mich. Es gibt da keinen Irrtum, es war Jerry Cotton, und er ist mit einem unserer Boote hinter dem Correction-Boot hergefahren.«
    »Kommen Sie!« sagte ich.
    Der Regen schlug mir ins Gesicht, als wir die letzten Schritte über den Steg auf das Boot zugingen. Kaum waren wir an Bord, als das Boot schon losmachte und mit laut aufheulendem Motor in einer engen Kurve auf den breiten Fluß hinausschoß.
    Ich zog den Captain in die Kajüte. Dort bat ich den Beamten, eine Funkverbindung zum FBI herzustellen. Schon nach ein paar Sekunden meldete sich unsere Zentrale, und ich verlangte Mr. High.
    Er kam sofort.
    »Phil?« klang seine Stimme durch den Hörer zu mir.
    »Ja, hier Phil Decker. Mr. High, ich…«
    Er unterbrach mich.
    »Phil, gerade hat mir die Fluggesellschaft bestätigt, daß Jerry entsprechend seiner Reservierung geflogen ist. Die Maschine ist inzwischen in Las Vegas angekommen.«
    Captain Hywood, der irritiert über den Lautsprecher alles mithörte, schüttelte den Kopf.
    »Aber, Mr. High, das ist doch…«
    Wieder unterbrach er mich.
    »Phil, ich habe gerade von der Fluggesellschaft erfahren, daß Jerry tatsächlich in Urlaub geflogen ist.«
    Mit Vollgas schoß unser Boot über die Wellen des East River. Trotz des Lärms, den der Motor verursachte, hörte Captain Hywood aus der Stimme unseres Chefs, daß er ziemlich erregt war.
    Er machte eine bittende Gebärde. Ich verstand sie und reichte ihm das Mikrofon.
    »Hallo, Mr. High. Hier spricht Hywood. Entschuldigen Sie, daß ich mich in ein Gespräch zwischen zwei FBI-Beamten einschalte. Aber habe mit angehört, was Sie eben Phil gesagt haben. Es tut mir leid, doch was Sie festgestellt haben, kann unmöglich stimmen. Vor etwa dreißig Minuten habe ich hier an unserer Bootsstation mit Jerry Cotton gesprochen. Es ist total unmöglich, daß er sich in Las Vegas befindet.«
    Unser Chef schwieg einen Moment. Durch den Lautsprecher hörten wir deutlich, daß er tief Luf holte. Wie jemand, der mit stummer Verzweiflung feststellen muß, daß ihn sein Gesprächspartner nicht verstehen will.
    »Okay, das ist Ihre Meinung, Hywood. Aber soeben hat uns die Zentrale des Hotels ›Five Roses‹ in Las Vegas angerufen und im Aufträge von Jerry mitgeteilt, daß er in dringenden Fällen dort zu erreichen ist.«
    Ich nahm Hywood das Mikrofon aus der Hand.
    »Hier ist noch mal Decker. Mr. High, haben Sie mit Jerry selbst gesprochen?«
    »Nein, Phil, ich habe es versucht, aber die Zentrale sagte mir…«
    Unvermittelt brach Mr. High seinen Satz ab und sprach nicht weiter. Das wunderte mich. Einen Moment wartete ich darauf, daß er Weitersprache. Doch er tat es nicht.
    »Was sagte die Zentrale?«
    Ich lauschte gespannt. Doch das einzige, was ich hörte, war das Jaulen des Motors, manchmal unterbrochen von den harten Schlägen, mit denen das Boot über die hochgehenden Wellen hüpfte.
    »Hallo, Mr. High?«
    »Die Zentrale sagte«, klang Mr. Highs Stimme jetzt mit einem Male sehr laut, »Mr. und Mrs. Cotton hätten vor ein paar Minuten das Hotel verlassen.« Unvermittelt erstarb das laute Geräusch des Motors, und plötzlich lag das Boot ganz still. Wir waren am Landungssteg von Rikers Island angekommen. Von draußen drangen nur noch ein paar Rufe zu uns herein. Das Boot wurde festgemacht.
    Ein paar Sekunden dauerte es noch, bis ich mich von meiner Verblüffung erholt hatte.
    »Mr. und Mrs. Cotton?«
    »Ja, Phil, und jetzt haben Sie vermutlich auch eine Erklärung dafür, warum Jerry es mit seinem Urlaub so eilig hatte.«
    »Das gibt es doch gar nicht!« sagte Captain Hywood, nachdem das Gespräch mit Mr. High beendet war.
    Ich war ganz seiner Meinung. Wir gingen zusammen nach draußen, gingen über den Landungssteg und wurden drüben von dem Wachhabenden empfangen.
    Hywood, der den Mann kannte, stellte mich kurz vor.
    »Sir«, sprudelte Sergeant Fordenham sofort aufgeregt hervor, »mir kann man keinen Vorwurf machen. Mr. Cotton hat sich bei mir einwandfrei ausgewiesen. Außerdem kenne ich ihn persönlich.«
    »Kein Zweifel an seiner Person?« fragte ich trotzdem.
    »Kein Zweifel, Sir!«
    »Phil!« Captain Hywoods Hände trommelten plötzlich auf den Schreibtisch. Es war ein deutliches Zeichen dafür, daß er scharf nachdachte.
    »Was ist,