0478 - Der Friedhof der Lebenden
bloß, daß ich mich ausziehe, weil ich mich in diesem Mantel nicht richtig bewegen kann. Wüstling!«
Zamorra lachte zurück. »Kann ich was dafür, daß du so sexy bist?«
»Sicher nicht«, entschied sie. »Aber mir steht der Sinn momentan eher nach Frühstück. Kommst du auch?«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Gib mir Zeit für eine Dusche.«
»Sicher. - Die letzte Nacht sollten wir übrigens unbedingt wiederholen. Nur so kannst du wiedergutmachen, daß du dich vorhin einfach davongestohlen hast.« Sie küßte ihn noch einmal und verschwand.
Eine Viertelstunde später trat er auf die großzügige Terrasse hinaus, hinter der ein gewaltiger Swimmingpool lag. Hier hatten sich die Peters-Zwillinge, wie üblich textilfrei, eingefunden und leisteten der auf Zamorra wartenden Nicole Gesellschaft. Nicole trug jetzt anstelle des Bademantels ebenfalls nur noch nahtlos sonnengebräunte Haut. Zamorra nahm es wohlwollend zur Kenntnis und quittierte den auf- und anregenden Anblick mit einem neuerlichen Kuß für Nicole.
Scarth, der Butler, hatte im Freien gedeckt. Zamorra und Nicole waren angenehm überrascht gewesen, das alte Personal - Scarth und den chinesischen Koch - wieder vorzufinden. Damals, als Tendyke und die Zwillinge etwa ein Jahr lang für tot gegolten hatten - in Wirklichkeit hatten sie sich nur mit dem neugeborenen Julian in ein unauffindbares Versteck in der Wildnis zurückgezogen, um dämonischen Mordanschlägen zu entgehen, hatte der Tendyke-Industries-T opma- nager Rhet Riker einen Verwalter in diese Immobilie gesetzt, der sowohl Scarth als auch Chang innerhalb kurzer Zeit hinausgeekelt hatte. Aber irgendwie hatte Tendyke es nach seiner Rückkehr geschafft, die Leute wieder ausfindig zu machen und zurückzuholen.
Zamorra lächelte. Was wäre Tendyke’s Home ohne den scharfäugigen, hakennasigen Scarth, und ohne Chang, den liebenswerten Chinesen, der kein »r« aussprechen konnte und dessen Spezialität Schlange war - er kannte mindestens hundert verschiedene Rezepte.
Was sich diesmal auf dem Frühstückstisch befand, sah aber nicht unbedingt nach Schlange aus. »Was ist das?« erkundigte Zamorra sich bei dem zurückhaltend-stolz in der Nähe des Tisches stehenden Chinesen.
»Arrigatorschenker, Mister Zamorra«, erklärte Chang.
Zamorra starrte ihn aus großen Augen an. »Arrigatorschenker?«
Monica Peters lachte auf. »Alligatorschenkel«, übersetzte sie. »Unser Freund übt neuerdings das ›r‹ und macht recht gute Fortschritte, nur übertreibt er es zuweilen etwas.«
»Alligator, soso«, murmelte Zamorra. Mißtrauisch nahm er ein Häppchen - und verzog dann anerkennend das Gesicht. »Genial, Chang. Sie sind ein wahrer Künstler.«
Der Chinese strahlte und zog sich in Richtung Küche zurück.
»Alligator zum Frühstück«, murmelte Zamorra. »Ihr seid doch alle nicht mehr ganz zu retten, wie? Aber das Biest schmeckt wirklich. Kaum zu glauben. Ich habe diese Viecher immer für ungenießbar gehalten.«
»Was Menschen ißt, kann auch von Menschen gegessen werden, pflegt Chang stets zu behaupten«, sagte Monica. »Mal was anderes - ihr fliegt heute nach Baton Rouge?«
»So war das geplant«, nickte Zamorra.
»Habt ihr etwas dagegen, wenn wir uns anschließen?«
»Nanu?« wunderte sich Nicole. »Wird es euch zu langweilig hier?«
»Das nicht«, erwiderte Uschi. »Aber in den frühen Morgenstunden haben wir einen telepathischen Impuls aufgefangen.«
»Was für einen Impuls?«
»Julian muß in Baton Rouge sein«, sagte Uschi. »Und ich will diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, meinen Sohn endlich wiederzusehen.«
»Julian? Was mag er da wollen?«
»Zwischen ihm und Cascal gab es schon eine seltsame Anziehungskraft, noch ehe Julian geboren war«, warf Nicole ein. »Cascal ist immerhin einige Male hierher gekommen, damals ohne zu wissen, was ihn her gezogen hat. Vielleicht ist es jetzt andersherum. Und da Julian sein Versteck, in welches er sich ein halbes Jahr oder länger zurückgezogen hatte, nun einmal aufgegeben hat, um den Silbermond und die Welt zu retten, liegt es nahe, daß er ›aufgetaucht‹ bleibt. Warum soll er also nicht in Baton Rouge sein?«
»Seid ihr absolut sicher?« fragte Zamorra.
»Natürlich. Es war nur ein ganz kurzer Gedankenimpuls, vielleicht nicht einmal von ihm gezielt ausgesandt. Aber er muß an uns gedacht haben«, sagte Uschi. »Und so etwas kann mir natürlich nicht entgehen.«
»Also gut«, sagte Zamorra. »Verzehren wir dieses
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