0478 - Wir jagten Mr. Unbekannt
der Chauffeur abgefahren war, ehe ich mich an die Arbeit machte. Von vornherein war mir klar, daß meine Chancen gering waren. Ich hatte den Mann, den ich suchte, nie gesehen und wußte kaum etwas über ihn. Aber er schien die Schlüsselfigur zu sein. Daß der Wirt Kontakt zu ihm gehalten hatte, bestärkte meine Theorie.
Dann begann ich die Türen abzuklappern. Überall betete ich denselben Vers herunter:
»Ich komme von der North-South-Versicherung. Ein Klient von uns ist vorige Woche durch einen Verkehrsunfall zu Schaden gekommen. Unter denen, die den Unfall mitangesehen haben, war ein Mr. Frighton, der in der Penrod Street wohnen soll. Wissen Sie vielleicht die Hausnummer?«
Ich begegnete den unglaublichsten Typen, meistens Frauen, dicken und dünnen, schlampigen und weniger schlampigen.
»Mr. Frighton?« fragte eine dicke ältere Frau. »Ich glaube, den Namen habe ich schpn einmal gehört. Warten Sie mal, war das nicht so ein Kleiner mit ’ner Hornbrille?«
Ich sagte ihr, daß er zweieinhalb Zentner wöge, und ging hinüber auf d’e andere Straßenseite.
Natürlich hoffte ich, daß meine Dienststelle inzwischen etwas herausbringen würde. Aber da es in New York kein Einwohnermeldeamt gibt, blieb es ein Lotteriespiel. Nur Wer einmal aktenkundig geworden war, dessen Adresse konnten wir leicht herbeischaffen.
Ich ging weiter. Mein Mund War schon ganz trocken.
Es war das vierzehnte öder fünfzehnte 'Haus, und es sah genauso aus wie die anderen in der Straße.
Ich drückte auf den Klingelknopf neben dem Emailleschild, auf dem der Name »Fisher« verzeichnet war.
Es dauerte eine Weile, ehe sich die Tür einen Spalt breit öffnete. Ein alter Mann mit einem Raubvogelgesicht funkelte mich böse an:
»Ich kaufe nichts, scheren Sie sich zum Teufel, Mann!«
Ich grinste so breit wie möglich und sagte schnell:
»Ich will Ihnen nichts verkaufen, Mr. Fisher. Es handelt sich nur um eine kleine Auskunft.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Ich suche einen Mr. Frighton.«
Mir kam es vor, als ob er bei der Nennung des Namens zusammengezuckt wäre. Im gleichen Augenblick bellte vom ersten Stock eine Männerstimme herunter: »Was’n los, Ed? Warum kommst du nicht, verdammt noch mal?«
»Hier ist einer, der einen Mann namens Frighton sucht«, rief Fisher zurück. »Hast du den Namen schon mal gehört?«
Es dauerte sehr lange, bis der andere antwortete: »Nein, völlig unbekannt. Aber laß den Mann doch ’reinkommen, vielleicht fällt mir noch was ein.«
Ich folgte dem Vogelköpfigen, von dem ich annahm, daß er Mr. Fisher war, durch einen schmalen Flur in ein dunkles Zimmer.
»Mein Name ist Pherson«, sagte ich, denn darauf lautete mein Ausweis.
»Fisher«, murmelte er undeutlich. »Setzen Sie sich doch.«
Ich hätte mir die Bewegung zum Stuhl hin sparen können. Ich saß kaum, als etwas Kaltes mein Genick berührte.
»Auf stehen!«
Ich blieb sitzen und starrte in das Gesicht Mr. Fishers, der kaum zwei Schritte von mir entfernt stand und mich interessiert beobachtete.
Das kalte Ding in meinem Nacken drückte sich tief ins Fleisch. Es war Wirklichkeit wie die harte Stimme in meinem Rücken.
»Stehen Sie auf! Aber machen Sie keine falsche Bewegung!«
***
In Brightons Gehirn jagten sich die Gedanken. Er hatte die Warnung des Lieutenants verstanden.
Man hatte ihn gesehen, als er in der vergangenen Nacht den Wirt noch einmal besucht hatte. Aber wer?
Brighton hatte mit den anderen »Camerons Wood« verlassen. Eine Stunde später, als es im Haus dunkel geworden war, war er zurückgekommen.
»Gehen wir ins Haus«, sagte der Lieutenant.
Aber das bedeutete nur eine Galgenfrist für Brighton. Als sie am Tisch saßen, war es soweit.
Der Lieutenant saß Brighton gegenüber. Zu seiner Linken nahm ein Stenograf Platz, der jedes Wort mitschrieb, das gesprochen wurde.
»Wer hat mich gesehen?«
»Eigentlich dürfte ich es Ihnen nicht sagen. Aber weil Sie so etwas wie ein Kollege sind, will ich die Frage beantworten: Es war der Sohn des Wirtes. Und er ist bereit, einen Eid darauf zu leisten. Ich hoffe nur, es wird nicht nötig sein.«
Brighton hob den Kopf. »Warum fragen Sie mich das alles, Lieutenant? Stehe ich vielleicht unter Mordverdacht? Das wäre lächerlich. Können Sie mir sagen, was für ein Motiv ich haben sollte?«
»Motive gibt es immer, auch wenn sie anfänglich nicht klar auf der Hand zu liegen scheinen.« Biggins machte eine Pause, um die nächsten Worte besonders zur Geltung zu bringen. »Aber Sie,
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