048 - Blut für Lukretia
auf. Ihre Haut war bleich, fast durchscheinend geworden. Sie schob sich das schulterlange Haar aus der Stirn und sah Lukretia an.
»Ann, du bleibst hier«, sagte Lukretia befehlend. »Und du kommst mit mir, Nadir.«
Der Inder folgte ihr. Bereitwillig zeigte er ihr das Schiff und stellte ihr die Besatzungsmitglieder vor. Außer dem Kapitän, einem alten Mann, und dem Steuermann befanden sich noch acht Besatzungsmitglieder an Bord, darunter ein Koch und zwei Stewards. Als Lukretia einen heiseren Schrei hörte, lief sie zu den Kabinen. Einer der von Guido Sera gebissenen Männer ging auf einen Matrosen los, der sich nicht bewegte. Er ließ es ruhig zu, dass sich die scharfen Zähne des Vampirs in seine Kehle bohrten. Lukretia riss den Mann zurück, und mit Guidos Hilfe sperrte sie ihn in eine Kabine.
»Wo ist der andere?«, fragte Lukretia.
»Ich habe ihn in der Nebenkabine eingesperrt«, antwortete Guido Sera rasch.
Lukretia warf Nadir Shah einen Blick zu. Der Inder sah den Matrosen fasziniert an. Nadirs Gesicht war vor Gier verzerrt. Lukretia lachte. Sie konnte sich gut vorstellen, was in Nadir vorging. Er gierte nach Blut, genauso wie sie.
»Bediene dich, Nadir«, sagte sie und zeigte auf den Matrosen.
Der Inder stürzte sich mit einem gurgelnden Schrei auf den Matrosen, krallte seine Finger in seine Schultern und biss ihn in den Hals. Lüstern schlürfte er das Blut. Lukretia sah kurze Zeit zu, drückte Nadir zur Seite und bediente sich selbst. Während sie das Blut saugte, schloss sie die Augen, und ihr Körper wurde vor Wollust geschüttelt, doch rechtzeitig beherrschte sie sich. Sie löste ihre Zähne, leckte sich die Lippen und trat einen Schritt zurück.
»Guido«, flüsterte sie. »Bring den Mann in den Salon. Das Mädchen braucht auch Blut.«
»Und was ist mit den beiden, die ich in die Kabinen gesperrt habe?«
»Die sind unwichtig.«
Sie gingen in den Salon. Ann Mathers sprang auf. Ihr voller Busen wogte. Ihre Augen glühten dunkelrot. Speichel tropfte über ihre Lippen. Sie sprang auf den unglücklichen Matrosen zu und stillte ihre Gier nach Blut. Nun war Guido Sera an der Reihe, der die letzten Tropfen Blut aus dem sterbenden Körper saugte. Guido Sera und Nadir Shah schleppten den Toten an Deck und warfen ihn ins Meer.
Lukretia setzte sich im Salon nieder. Den Steuermann und den Kapitän musste sie am Leben lassen. Ein Matrose und ein Steward hatten sich in Untote verwandelt, sie würden kein Blut mehr liefern. Den Koch durfte sie nicht anrühren. Als Opfer für die nächste Nacht blieben ihr drei Matrosen und ein Steward. Das war nicht viel, wenn sie bedachte, dass Nadir Shah und Ann Mathers auch Blut benötigen würden. Ihre Entscheidung war getroffen. Die beiden Untoten würde sie morgen dem Tageslicht aussetzen und dadurch endgültig töten. Auch die junge Frau musste sterben. Für sie hatte sie keine Verwendung, sie war nutzlos, während sie Nadir Shah vorerst am Leben lassen würde. Er konnte ihr vielleicht Informationen verschaffen, die sie dringend benötigte.
Sie sperrte Nadir und Ann in zwei verschiedene Kabinen, dann suchte sie den Kapitän, den sie in seiner Kabine fand. Sie versuchte mit ihm zu sprechen, doch er sah sie nur verständnislos an. Auf ihre Fragen nach dem Ziel der Reise gab er ihr keine Antwort. Lukretia hoffte, dass sich der Dämon melden würde, doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Jacht fuhr schnell durch die sternenklare Nacht. Und sie wusste nicht, wohin die Reise ging …
Es dauerte eine Weile, bis Dorian bewusst wurde, wo er sich befand. Er sprang aus dem Bett, warf der schlafenden Coco einen Blick zu, lief zur Kabinentür, schob den Riegel zurück und drückte die Klinke nieder. Zu seiner Überraschung ließ sich die Tür öffnen. Er schloss sie wieder und blickte auf die Uhr. Es war einige Minuten nach drei Uhr. Und da es in der Kabine hell war, musste es Nachmittags sein. Coco bewegte sich leicht und wälzte sich auf den Rücken. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und gähnte herzhaft.
»Morgen«, sagte sie. »Bist du schon lange wach, Dorian?«
Er schüttelte den Kopf. »Eben erst aufgewacht. Wir haben fast vierzehn Stunden geschlafen. Lukretias Schlaftrunk hat seine Wirkung getan. Die Kabinentür ist nicht abgesperrt. Es ist uns also gestattet, die Kabine zu verlassen. Wenn es etwas Verdächtiges gegeben hat, wurde es sicher von Lukretia beseitigt.«
Coco stieg aus dem Bett und streckte sich. Dorian nahm sie in die Arme und küsste sie
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