048 - Blut für Lukretia
sanft auf die Lippen. Dann ging er ins Badezimmer, duschte und rasierte sich. Seine Stimmung hatte sich gebessert, er pfiff vergnügt vor sich hin. Kurz darauf verließ er die Duschkabine, und Coco ging hinein.
Dorian steckte sich eine Players an, schlüpfte in ein Hemd und Jeans und wartete, bis Coco mit ihrer Toilette fertig war. Gemeinsam verließen sie die Kabine. Niemand kam ihnen entgegen. Es war ruhig auf dem Schiff, nur das Geräusch der Motoren war zu hören. An Deck blieben sie stehen. Ein wolkenloser, tiefblauer Himmel spannte sich über dem Indischen Ozean. Die Sonne stand hoch am Himmel; eine laue Brise wehte ihnen ins Gesicht. Weit und breit war kein Schiff zu sehen. Sie blieben einige Minuten an der Reling stehen und genossen die friedliche Stimmung. Nach dem Stand der Sonne und der Uhrzeit schloss Dorian, dass die Jacht in Richtung Westen fuhr.
»Gut geschlafen?«, fragte Lukretia spöttisch, die lautlos aus einer Tür getreten war.
Dorian drehte sich rasch um. Lukretia hatte ihr langes Haar aufgesteckt, heute schimmerte es kastanienbraun. Sie trug eine offenherzig ausgeschnittene grüne Bluse und eine weite weiße Hose.
»Dank deines Schlaftrunks«, sagte Dorian.
Lukretia lächelte. Sie hatte vergeblich auf eine Nachricht des Dämons gewartet. Sollte ihr Dorian Fragen stellen, dann konnte sie ihm wie bisher nur ausweichende Antworten geben.
»Habt ihr Hunger?«, erkundigte sich Lukretia.
Dorian nickte.
»Ich werde dem Koch Bescheid sagen. Irgendwelche besonderen Wünsche?«
»Nein«, sagte Dorian. Er kniff die Augen zusammen. »Nur eines. Ich würde sehr unfreundlich reagieren, wenn sich ein Schlafmittel in unserem Essen finden sollte!«
»Keine Angst«, sagte Lukretia. »Ich will euch auch nicht vergiften. Kommt mit. Ich führe euch in den Salon.«
Der Salon war geschmackvoll und aufwendig ausgestattet. Die holzgetäfelten Wände und die alten Stilmöbel verbreiteten eine anheimelnde Atmosphäre. Lukretia hatte die beiden allein gelassen. Einige Minuten später kehrte sie zurück, gefolgt von einem weiß gekleideten Inder, der sich leicht verbeugte. Dorian hatte schon viele Menschen gesehen, die von Dämonen beeinflusst worden waren, und der Steward gehörte dazu. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, seine Bewegungen wirkten unsicher.
»Was wollt ihr trinken?«, fragte die Vampirin.
Dorian bestellte einen Fruchtsaft für Coco und für sich ein Bier.
»Wie viele Leute befinden sich an Bord?«, fragte Coco.
»Acht Besatzungsmitglieder«, antwortete Lukretia und setzte sich nieder. »Und Nadir Shah, der Besitzer der Jacht.«
»Die Besatzungsmitglieder sind wohl alle beeinflusst?«, fragte Dorian.
»Erraten.«
»Und was ist mit Nadir Shah? Ich möchte ihn gern sprechen.«
»Er verträgt das Tageslicht nicht«, sagte Lukretia spöttisch.
Plötzlich war Dorians gute Laune verflogen. »Du hast ihn zu einem deiner Opfer gemacht?«
»Es blieb mir keine andere Wahl«, antwortete Lukretia lächelnd.
In Dorian stieg die Wut hoch. Es war schon schlimm genug, dass er mit den Oppositionsdämonen einen Pakt eingegangen war. Doch er hatte ihn nur geschlossen, weil er allein im Kampf gegen Olivaro zu schwach war. Solange sich die Dämonen gegenseitig umbrachten, würde er nicht einschreiten, im Gegenteil. Doch er war dagegen, dass durch seinen Pakt Unschuldige sterben mussten, nur damit er und Coco gerettet wurden. Der Dämonenkiller hing an seinem Leben, jetzt mehr als je zuvor, da er wieder mit Coco zusammen war. Doch er hing nicht so sehr am Leben, um dafür andere Menschen zu opfern. Der Gedanke, dass Lukretia auf jeden Fall Menschen getötet hätte, war ein Trost, den er nicht gelten lassen konnte.
Lukretia merkte, wie Dorians Stimmung umgeschlagen hatte. Sie stand rasch auf und wollte aus dem Salon gehen, doch der Dämonenkiller war schneller.
Er packte sie am rechten Handgelenk und riss sie an sich. Sein Gesicht verzerrte sich, als er die Vampirin hochhob und auf eine Couch schleuderte. Er riss sich die Abraxsgemme vom Hals und hielt sie Lukretia vors Gesicht, die ein wütendes Fauchen ausstieß, die Augen schloss und den Kopf abwandte. Dorian versetzte das Amulett in kreisende Bewegungen, und Lukretia stöhnte auf.
»Ich kann es nicht mehr ungeschehen machen, dass du Nadir Shah in einen Untoten verwandelt hast, Lukretia«, sagte der Dämonenkiller hart, »aber ich kann verhindern, dass du dir noch weitere Opfer holst. Dies ist meine letzte Warnung, Lukretia. Wenn du dich noch an
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