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048 - Die Bande des Schreckens

048 - Die Bande des Schreckens

Titel: 048 - Die Bande des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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dennoch sind die meisten Leute geborene Berichterstatter, und der Lebenszweck eines Berichterstatters ist eben, anderen Leuten etwas zu erzählen.« Er ließ die Wagenfenster, zuerst auf der einen, dann auch auf der entgegengesetzten Seite, ein Stück weit hinunter und setzte sich ihr gegenüber. »Ich möchte einem Mann einen Streich spielen. Ein Beamter von Scotland Yard beobachtet mich -selbstverständlich in wohlmeinendster Absicht. Er fährt im Dienstwagen, wo sich ein kleines, vorstehendes Fenster befindet, von dem aus man den ganzen Zug entlangsehen kann. Haben Sie sich je mit Philosophie befaßt, Miss Sanders?«
    »Etwas. Und ich kann auch ein Geheimnis bewahren!«
    »Haben Sie die Leibniz-Abhandlung über die Ursächlichkeit gelesen? - Nicht, ich dachte es mir. Warum fährt der Zug? Weil in Derbyshire ein Mann in den Kohlenschacht gestiegen ist und einen Haufen Kohlen gefördert hat. Warum ist er in den Schacht gestiegen? Weil er eine Frau ernähren muß. Also zieht die Frau diesen Zug. Verstehen Sie?«
    Etwas an diesem Vergleich hinkte, doch sie schwieg. Außerdem schien ihn das etwas dürftige Logikbeispiel selbst nicht zu befriedigen. Nach kurzer Überlegung machte er einen neuen, realistischeren Anlauf.
    »Jedenfalls muß man auf die Ursachen zurückgreifen. Bei Shelton ging das nicht, weil man nicht wußte, was mit ihm los war. Doch als man ihn durch die Falltür beförderte, schuf man eine Reihe neuer Ursachen. Einige in Scotland Yard lachen über mich und meine Bande des Schreckens. Doch - wo ist der Richter, der ihn verurteilte? Tot! Wo der Staatsanwalt? Tot! Der Henker? Tot! Ich lebe noch, und Monkford lebt...« Plong!
    Das Glasfenster zersprang in Stücke, etwas zischte vorbei, das wie das Gesumm einer gereizten Biene klang. Holzsplitter fielen von der Wagendecke. Der Wetter grinste vergnügt.
    »Der Mann, der diesen Schuß abgefeuert hat, ist tot - darauf wette ich!«
    Der Zug hielt in Bourne End. Der Wetter verabschiedete sich in seiner sarkastischen Art.
    »Ich muß zurück, um die Personalien der Leiche festzustellen.« Als er das bleiche Gesicht des Mädchens sah, entschuldigte er sich: »Das war nur ein Scherz! Ungefähr eine Meile von hier entfernt ist ein Schießstand, und ich wette, daß irgendein schieläugiger Rekrut uns mit einem feindlichen Flugzeug verwechselt hat!«
    Sie ließ sich nicht täuschen, zwang sich jedoch zu einem Lächeln, und sie lächelte noch mechanisch, als der Zug wieder anfuhr.
    »Hanswurst!« schalt der Wetter sich selbst ärgerlich aus, als der letzte Wagen hinter der Biegung verschwand. »Sensationsjäger! Mädchenschreck!«
    Er nahm ein Taxi, fuhr zum Polizeiposten von Bourne End, wo ein Wachtmeister zustieg, und ließ sich zu der Stelle zurückfahren, an der der Schuß gefallen sein mußte. Er brauchte nicht lange, um den Platz ausfindig zu machen. Als die Kugel einschlug, war der Zug an einer Baracke vorbeigefahren, die von Streckenarbeitern benutzt wurde. Es gab kein anderes Haus in der Nähe. Parallel zum Bahndamm und zur Landstraße verlief ein Haferfeld. Long erwartete, den Schützen bei der Baracke zu finden, doch dann täuschte er sich. Etwas abseits, hinter dem Haferfeld, bei einem Teich und einer kleinen Böschung, entdeckte er zwischen wucherndem Unkraut den unbeweglichen Körper. Die Kleidung war ärmlich - irgendein Landstreicher, früherer Soldat, denn schmutzige Medaillenbänder zierten die zerlumpte Weste. »Hinterrücks erschossen«, sagte der Wetter nach kurzem Augenschein. »Armer Teufel! - Was ist das für ein Buch, Wachtmeister?«
    Der Beamte reichte ihm das schäbige Notizbuch, das er aufgehoben hatte. Die letzte, mit Bleistift gemachte Eintragung lautete:
    ›Dritter Wagen von Lokomotive. Zweites Fenster.
    Nicht schießen, wenn Mädchen am Fenster.‹
    Long blätterte die übrigen Seiten durch. Er fand den Namen ›Joe Hanford‹ und zwei Adressen, eine in Essex und eine in London.
    »Dieser Kerl war sehr genau«, sagte er, »sonst hätte er seine Instruktionen nicht eingetragen. Wie aber hat er die Anweisung erhalten?«
    Er blickte sich prüfend um - in diesem Augenblick sah er in einer Entfernung von etwa drei Meilen auf dem Hügelkamm einen Lichtstrahl. Sechsmal leuchtete es auf.
    »B-C-N-F-L-D«, buchstabierte er. »Beaconsfield!« Irgend jemandem wurde mit einem Heliographen eine Botschaft übermittelt. Es konnte sich auch um eine militärische Übung handeln. Aber dann flackerten die Lichtstrahlen wieder

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