048 - Die Bande des Schreckens
Longs Ton ließ den Obersten stutzen. »Sie stehen doch mit Ihrem Vater auf gutem Fuße?« »Es könnte nicht besser sein, wenn mein alter Herr mich in letzter Zeit auch etwas geärgert hat.«
Er erwähnte nicht, daß der angebliche und nicht weiter ernst zu nehmende Ärger mit den wiederholten Versuchen Sir Godleys, den Sohn aus seiner Polizeilaufbahn herauszureißen, zusammenhing.
An diesem Morgen hatte Arnold, als er in die Stadt zurückkehrte, einen Brief seines Vaters vorgefunden. Und nun begab er sich, nach der Besprechung mit Macfarlane, von Scotland Yard aus nach Berkeley Square. Sir Godley, der sich gerade für ein Gartenfest umkleidete, bat ihn, in sein Zimmer zu kommen.
»Hast du meinen Brief verdaut?« fragte er.
»Deine Briefe«, erwiderte der Wetter und ließ sich in den bequemsten Sessel des Zimmers fallen, »sind so unverdaulich, daß sie mich krank machen.«
»Oh!« Sir Godley zog an seiner Krawatte herum. »Weißt du noch, ich sagte einmal zu dir, es sei doch seltsam, daß Clay Shelton es nie auf dich abgesehen habe?«
»Ich glaube, mich an etwas Ähnliches erinnern zu können.« »Und doch hat er auf deiner Bank sechzigtausend Pfund abgehoben. Diese Tatsache habe ich eben herausgefunden.« Sir Godley wandte sich nicht um. »In dir steckt das Zeug zu einem großen Detektiv!« »Sarkasmus verfängt bei mir nicht -«, entgegnete der Wetter ruhig. »Ich habe dein Geheimnis entdeckt, alter Herr! Tatsächlich weiß ich es schon seit einigen Tagen, aber ich habe keine Zeit gehabt, dich damit zu überraschen. Wer wurde am 1. Juni 1862 geboren?« »Das weiß der Himmel«, sagte der Vater, indem er sich aufmerksam im Spiegel betrachtete.
»Wer war J.X.T.L. - John Xavier Towler Long? Und um dich vor einer Lüge deinem Sohne gegenüber zu bewahren, will ich es dir sagen -John Xavier Towler Long war Clay Shelton!« »Wirklich?«
Sir Godley steckte eine Nadel in seine seidene Krawatte und zeigte kein sonderliches Interesse.
»Und Clay Shelton, den ich an den Galgen gebracht habe, war dein Bruder!«
Nicht ein Augenzucken verriet Sir Godley Longs Bewegung. »Woher weißt du das?«
»In Sheltons Flußjacht fand ich eine Anzahl Daten eingeschnitzt, und ich nahm an, daß jedes eine besondere Bedeutung habe. Das erste Datum war zweifellos der Geburtstag eines Mannes - der 1. Juni 1862. Daneben standen die Anfangsbuchstaben J.X.T.L. - nun, X ist ein sehr merkwürdiger Anfangsbuchstabe, mit dem höchstens fünf Vornamen beginnen. Ich habe die Akten von Somerset House nach den Namen der Kinder durchforscht, die am 1. Juni geboren wurden. Ich brauchte nicht lange zu suchen, bis ich herausfand, daß John Xavier Towler Long an diesem Tag zur Welt kam. Towler - dieser Name ist in unserer Familie vorgekommen. Wenn ich mich recht erinnere, war es der Name meiner Urgroßmutter. Daß mir der Familienname Long auffiel, ist nicht weiter verwunderlich, außerdem aber fand ich den Namen von J.X.T.L.'s Vater, also den Namen meines Großvaters. Dieser heiratete zweimal - und du warst ein Sohn aus zweiter Ehe.« Sir Godley nickte kaum merklich. »Warum hast du mir das nie gesagt?« Der Vater lächelte sanft.
»Man rühmt sich gewöhnlich solcher Bekanntschaften und Verwandtschaften nicht. Und tatsächlich habe ich John kaum gekannt. Er war zehn Jahre älter als ich, und ich erinnere mich seiner nur als eines jungen Mannes, der sich dauernd in einer Klemme befand, der meinen Vater beraubte und nach einer besonders skandalösen Sache verschwand. Das war vielleicht die schändlichste Tat, die er während seines langen und schlechten Lebens beging.«
»Weißt du mehr über ihn?«
»Gar nichts. Ich hatte keine Ahnung, daß er mit mir verwandt war, bis ich sein Bild in den Zeitungen sah. Auch da hätte ich ihn beinah nicht erkannt.«
»Und du wußtest die ganze Zeit, daß er Clay Shelton war?« Sir Godley drehte sich um, sein Gesicht war traurig. »Ja, ich habe gewußt, daß er der größte Lump auf dieser Erde war, der das Herz meines Vaters gebrochen und mich und meine Familie fast zugrunde gerichtet hätte. Deshalb wollte ich auch, daß du die Sache niederlegen solltest. Es ist nur natürlich, daß ich nicht zusehen wollte, wie du den Mann, in dem das Blut meines Vaters rann, zu Tode hetztest. Ganz abgesehen davon, was du dir damit auf den Hals ludest. Ich wußte, daß er eine Bande hinterließ, die sein Werk fortsetzen würde.«
»Urkundenfälschung? Ich glaube, das hat aufgehört.« »Es hat aufgehört, und es hat auch
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