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048 - Die Bande des Schreckens

048 - Die Bande des Schreckens

Titel: 048 - Die Bande des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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war alles, was sie brauchte, um sich unkenntlich zu machen.
    Nachdem sie sich in einem kleinen Hotel ein Zimmer genommen, sich umgezogen und aus ihrem Haar mit einer Wasserstofflösung die Farbe ausgewaschen hatte, würde nicht einmal der Wetter Long sie wiedererkannt haben. Die abgelegte Kleidung band sie in ein Bündel zusammen und ging, das Paket unter dem Arm, hinunter, um die Rechnung zu bezahlen. Die Wirtin, die alle Hände voll zu tun hatte, bemerkte die Verwandlung nicht. Auf dem Weg zum Bahnhof kaufte sie noch einen großen Schirm, der das Bild einer Frau vom Lande vervollständigte.
    Sie erreichte noch in der gleichen Nacht Brüssel, wo sie in einem kleinen Hotel dritter Klasse abstieg. Dem Portier sagte sie, daß sie Wallonin sei, die ihren Sohn im östlichen Flandern besucht habe. Für eine Wallonin sprach sie ein etwas zu gutes Französisch, und doch glaubte der Portier, was sie sagte, denn sie gab ihm nur ein sehr kleines Trinkgeld und weigerte sich, in einer Droschke zur Station zu fahren.
    Sie setzte ihre Reise bis Lüttich fort. Dort suchte sie sich ein Unterkommen in einem guten Stadtteil und verbrachte die meiste Zeit mit dem Lesen der englischen Zeitungen, die sie am Bahnhof kaufte. Cravel war tot, Alice und Henry verhaftet. Henry vor allem bereitete ihr Kummer, denn sie hatte ihn sehr gern, und ihre Unruhe stieg noch, als sie las, daß ›der Gefangene nicht imstande war, vor Gericht zu erscheinen, weil die Ärzte die Meinung vertraten, seine Geistesverfassung erlaube ihm nicht, der Verhandlung folgen zu können‹. Ein Monat verging. Die Verhandlung gegen die beiden wurde von Woche zu Woche verschoben. Dann las sie, daß der Staatsanwalt gegen Alice keine Anklage vorbringen werde, und daß sie bereits entlassen worden sei. Sie hatte Alice nie leiden können, weil sie stets Jackson Crayley zugetan und oft voller Bedenken gewesen war.
    Madame Pontiere, wie sie sich nannte, schien Lüttich nicht mehr verlassen zu wollen. Sie besorgte sich einen Polizeiausweis, und nichts störte ihre Ruhe. Die Zeitungen schrieben, Miss Revelstoke sei verschwunden und wahrscheinlich nach Amerika geflohen. Eines Morgens jedoch, als sie mit einem großen Gebetbuch in der Hand in die Kathedrale gehen wollte, trat ihr ein Mann entgegen, der vor ihr den Hut abnahm.
    »Miss Revelstoke, nehme ich an?« fragte er höflich.
    Wortlos folgte sie dem Wetter zur Polizeistation.
    Die Auslieferungsformalitäten waren schnell erledigt. Eines Morgens verließ Miss Revelstoke in Begleitung einer Polizeischwester das Sureté-Gebäude und fuhr in einem Zug, der nirgends haltmachte, nach Brüssel. Der Transport ab Brüssel wurde so schnell wie möglich bewerkstelligt, und an einem trüben Morgen um fünf Uhr landete sie in Dover. Erst hier sprach sie den Wetter zum erstenmal an. Während der ganzen Reise hatte sie ein steinernes Schweigen bewahrt, und wenn er sie anredete, schien sie es nicht zu hören. Als sie jetzt den Bahnsteig entlang zum Zug gingen, wandte sie ihm das Gesicht zu und fragte: »Wie geht es Henry?«
    »Ich fürchte«, erwiderte Long, »daß Ihr Sohn nie in der Lage sein wird, vor Gericht zu erscheinen.«
    Sie antwortete nicht und verriet durch nichts die Verzweiflung, die an ihrem Herzen nagte.
    Als der Zug durch Bromley fuhr, brach sie nochmals das Schweigen.
    »Alice hat uns natürlich verzinkt, wie? Sie ist von Natur aus so veranlagt. Nicht einmal der Doktor hat etwas bei ihr ausrichten können.«
    Zum erstenmal hörte der Wetter etwas über Cravels Beruf.

37
    An dem Tag, als ›Miss Revelstoke‹ zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt und das Verfahren gegen den blöde lächelnden jungen Mann an ihrer Seite vorläufig eingestellt wurde, trat Arnold Long ins Zimmer seines Vorgesetzten und überreichte ihm einen Brief. Oberst Macfarlane las das Schreiben aufmerksam.
    »Das tut mir leid, Wetter!« sagte er. »Gerade jetzt, wo Sie zur Beförderung vorgeschlagen worden sind! Sie haben eine beachtliche Leistung vollbracht, und mit 27 Jahren Oberinspektor zu sein, übertrifft alles Dagewesene. Aber wenn Sie glauben, gehen zu müssen, kann ich Sie nicht halten. Nun, wenn man es richtig betrachtet, wird es auch Zeit, daß Sie die Polizeiarbeit aufgeben und ans Geldverdienen denken. Wann wollen Sie Ihren Abschied nehmen?«
    »Sofort -«, antwortete der Wetter, »wenn das möglich ist.« Oberst Macfarlane legte den Brief in das ›eilige‹ Fach. »Ich will sehen, was sich tun läßt. Zwei oder drei Tage wird es schon

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