048 - Die Bande des Schreckens
das Gift darin.«
Jetzt begriff Sir Godley, warum der ausgewechselte Rock Clay Shelton verhindert hatte, den Galgen zu betrügen.
Ein guter Chef - aber auch dem besten Bandenführer unterlaufen Fehler.
38
Zwei Wochen vergingen - die gerichtliche Untersuchung war vorbei. Der Wetter sah seinen Vater, der verreist war, in dieser Zeit nicht, aber Nora Sanders leistete ihm jeden Tag Gesellschaft. Sie hatte sich entschlossen, die Verbindlichkeitserklärung für das Monkfordsche Testament nicht zu verlangen.
»Die Unterschrift kann gefälscht sein«, meinte sie, und Arnold stimmte ihr bei, denn er hegte darüber keinen Zweifel.
Sir Godley kam als neuer Mensch von Bournemouth zurück, obgleich ihn der Überfall mehr angegriffen hatte, als er zugeben wollte. Am Abend seiner Rückkehr, nach dem Essen, als sich die Bediensteten zurückgezogen hatten, stützte er die Ellbogen auf den Tisch und sah das Mädchen an.
»Hast du die Berichte über die Verhandlung gelesen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Arnold hat mir die Zeitungen vorenthalten - das heißt, ich würde, auch wenn er es gewollt hätte, die Berichte ohnehin nicht gelesen haben. Das einzige, was ich sah, war ein großes Plakat mit der Aufschrift: ›Die erstaunliche Geschichte eines Bankiers!‹ Warst du das?«
»Das war ich!« rief Sir Godley aus. »Und die erstaunliche Geschichte war die, die ich dir neulich erzählen wollte, als wir unterbrochen wurden.« »Wer war Miss Revelstoke?« fragte sie.
Sir Godley holte tief Atem, nahm mechanisch eine Zigarre und schnitt die Spitze ab.
»Sie war meine Frau! - Die vollständige Geschichte der Bande des Schreckens ist vor Gericht nicht erzählt worden, und ich danke dem Himmel, daß ich bei den Verhandlungen nicht zugegen zu sein brauchte. Clay Shelton war mein Bruder - oder vielmehr mein Halbbruder. Er war ein wilder, gewissenloser junger Mann, der meinen Vater bestahl und später auch mich berauben wollte. Zur Zeit, als er das Weite suchte, denn mein Vater entdeckte den Diebstahl, war ich mit einem hübschen dänischen Mädchen, einer Miss Ostrander verlobt, die als Gouvernante nach England zu einem Nachbarn von uns gekommen war. Ich machte ihre Bekanntschaft auf einem Gartenfest, verliebte mich in sie, und bald, nachdem mein Bruder verschwunden war, wurden wir getraut.« Mit ernstem Lächeln strich er die Asche seiner Zigarre ab. »Äußerlich war sie das niedlichste und liebste Geschöpf, das man sich vorstellen kann. Am Tag unserer Heirat erzählte sie mir aber etwas, das mich vollständig niederschmetterte - sie war in meinen Bruder verliebt und hatte mich nur geheiratet, damit das Kind, das sie erwartete, einen Namen erhielt. Warum sie mir das überhaupt gesagt hat, konnte ich nie ganz verstehen. Ich glaube, sie wollte mich kränken und mich von Liebesbeziehungen, die ihr doch nur verhaßt waren, abhalten. -Damals war ich ein ziemlich gutmütiger Mensch und hatte eine äußerst hohe Meinung von den Frauen. Dieses Erlebnis war der schwerste Schlag, den ich je erhielt. Wir befanden uns auf dem Weg nach Kopenhagen, um dort unsere Flitterwochen zu verbringen. Auf dem Schiff, das uns über die Nordsee brachte, machte sie mir dieses Geständnis. Drei Tage, nachdem wir in der dänischen Hauptstadt angekommen waren, verließ sie mich. Sie war ausgegangen, um einige Einkäufe zu machen, und ich hatte schon eine Stunde mit dem Essen gewartet, als mir ein Bote die Mitteilung überbrachte, daß sie nicht die Absicht habe, zurückzukehren, sondern dorthin gegangen sei, wo sie wahres Glück finde. Ich reichte sofort die Ehescheidungsklage ein, in der ich mich auf einen mir nicht bekannten Liebhaber berief. Ich sagte unter Eid aus. Die Ehe wurde geschieden, und ich glaube, sie heirateten...« »Am 9. Februar 1894«, unterbrach sein Sohn. »Das ist das dritte Datum, das in der Bootskajüte eingeschnitzt ist. Das zweite Datum war der Geburtstag seiner Frau, das vierte Crayleys Geburtstag oder, mit anderen Worten Jackson Crayley Longs.«
»Übrigens war Crayley der Name unseres Familiensitzes in Yorkshire«, fuhr Sir Godley fort. »Von den beiden habe ich nichts mehr gehört, bis eines Tages mein Geschäftsführer in großer Aufregung zu mir kam und mir mitteilte, daß wir sechzigtausend Pfund auf einen gefälschten Wechsel ausgezahlt hätten. Mein erster Gedanke war selbstverständlich, die Sache der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Ich verlangte den Wechsel und fand auf der Rückseite die mit Bleistift geschriebenen
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