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049 - Der Android

049 - Der Android

Titel: 049 - Der Android Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gleich.«
    Haank strich Sara zärtlich durch das Gesicht, bevor er über eine Treppe zur Mauerkrone stieg. Wie jedes Jahr knieten die Farmer mit gesenkten Köpfen im Dreck. Die Gesichter änderten sich nach und nach, aber die Haltung blieb stets gleich. Er beobachtete, wie einige Sklaven Ma'coom aus seiner Sänfte halfen und ihn auf eine Trage legten. Schon bei der letzten Ernte hatte er nicht mehr gehen können.
    Haank gönnte es ihm.
    Die Sklaven blieben am Fuß der Mauer stehen. Einer von ihnen beugte sich zu seinem Herrn herab.
    »Lord Ma'coom«, rief er nach einem Moment, »frägt respektvoll, wieso Lord Takeo nicht anwesend ist, wie es das Abkommen vorsieht.«
    »Er ist verhindert«, antwortete Haank, »aber er hat mir die Vollmacht übertragen, die Ernte zu verkünden.«
    Wieder wurden Worte zwischen dem Lord und seinem Sklaven gewechselt.
    »Lord Ma'coom bittet um Euren Namen, Herr, damit er Euch mit gebührender Höflichkeit anreden kann.«
    »Mein Name ist Haank. Sag ihm, dass wir uns kennen.«
    Er hatte gehofft, dass sich Ma'coom erinnern würde, aber das eingefallene bleiche Gesicht zeigte keine Regung. Er hatte den schwerverletzten Soldaten, den er vor Jahrzehnten ausgesetzt hatte, längst vergessen.
    »Lord Ma'coom bittet um Entschuldigung«, sagte der Sklave wie zur Bestätigung, »aber ein Mann dieses Namens ist ihm unbekannt.«
    Ein plötzlicher Hass stieg in Haank auf. Seine Finger schlossen sich um die Mauersteine, zerquetschten sie, ohne dass er es bemerkte.
    »Er sollte mich aber kennen!«, rief er zurück. Seine Stimme zitterte vor Wut. Unter ihm wurden die Farmer unruhig. Einige rutschten auf Knien zur Seite, hofften wohl zu fliehen, bevor sie in eine Auseinandersetzung gerieten, die sie nicht verstanden. »Ich war Soldat in deiner Leibgarde, Ma'coom, zumindest bis zu dem Tag, als ich verstümmelt wurde und du mich hast aussetzen lassen, weil dich meine Schreie störten. Du hast wohl gedacht, ich wäre längst tot, aber jetzt stehe ich hier oben, auf ewig jung und unzerstörbar, und du bist es, der krepiert, du verdammter Bas…«
    »Haank!«
    Er fuhr herum. Takeo stand im Innenhof der Festung und sah zu ihm hoch. »Du hast gesagt, was du sagen musstest. Jetzt gib diesen Leuten die Erlaubnis zur Ernte und bring Ma'coom herein.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Weil ich dich darum bitte.«
    Etwas an Takeo war anders, auch wenn Haank nicht sagen konnte, was es war. Sein Körper zeigte keine Veränderung, aber in seiner Stimme schwang ein neuer, merkwürdiger Unterton mit, der beinahe weise klang.
    »Ich hoffe, du willst das Schwein umbringen«, sagte Haank so leise, dass nur das Gehör eines anderen Maschi- nenmenschen seine Worte wahrnehmen konnte.
    Takeo schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde ihm helfen.«
    ***
    Es war dunkel, als Lynne Crow erwachte. Nur eine kleine Lampe brannte neben ihrem Bett; der Rest des Zimmers lag in Schatten.
    »Dad?«, fragte sie leise, bekam jedoch keine Antwort. Sie versuchte sich an den vergangenen Tag zu erinnern, an die Worte, die ihr Vater gesagt hatte, aber die Bilder waren verschwommen. Sie wusste noch, dass sie von dem falschen Dave MacKenzie berichtet hatte und dass sie geweint hatte, lange und viel geweint, und irgendwann war sie dann wohl eingeschlafen. Und jetzt war sie allein. Es war niemand da, der sie bemitleiden oder trösten konnte.
    Lynnes Blick glitt zu dem Ding, das dunkel und fremd auf der Bettdecke lag. Ihr Gehirn behauptete, das sei ihr Arm, aber ihr Gehirn log, denn diese Scheußlichkeit mit den klauenartigen glänzenden Fingern hatte nichts mit dem zu tun, was sie früher einmal besessen hatte.
    Für einen Sekundenbruchteil sah sie das Krokodil wieder vor sich, spürte das entsetzliche Reißen…
    Sie schüttelte sich.
    Ihr Arm glitt wie von selbst über die Bettdecke und wischte ihr die Tränen aus den Augen. Er fühlte sich leicht, aber doch kräftig an, und sie spürte die Feuchtigkeit an den Fingerspitzen. Vorsichtig griff sie damit nach dem Handgelenk ihres normalen Arms.
    »Au!«
    Sie hatte nur leicht zudrücken wollen, aber ihre Hand war ihr wie eine Stahlklammer erschienen.
    So stark, dachte sie und richtete sich auf. Die künstliche Hüfte bemerkte sie dabei kaum; es war der Arm, der sie faszinierte.
    Lynne sah sich nach etwas Brauchbarem um und entdeckte einen Metalltisch, der an der Wand stand. Sie stand auf, kämpfte einen Moment gegen den plötzlichen Schwindel an und blieb dann neben dem Tisch stehen. Mit einem Schlag fegte

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