049 - Der Android
trank einen Schluck Tee. »Sie ging aber zu einem anderen Haus. Zuerst war es darin dunkel, doch dann wurde es hell und ich konnte ihre Silhouette durch das Glas sehen. Sie bewegte sich nach unten, als ginge sie eine Treppe hinab. Dann wurde es wieder dunkel.«
Ein Geheimgang?, dachte Matt. »Bist du ins Haus eingedrungen?«
Aruula schüttelte den Kopf. »Nein.«
Matt setzte sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. »Nun, dann schauen wir es uns jetzt an.«
»Maddrax, bei meinem Volk gibt es ein Sprichwort. Es heißt: Neugier tötet die Taratze.«
Matt zog seine Stiefel an. »Curiosity killed the cat. Wir haben das gleiche Sprichwort… nur mit einem weniger unangenehmen Tier.« Sein Lächeln wurde zum Grinsen. »Komm schon, Aruula. Ich will mich doch nur ein wenig umsehen, mehr nicht.«
Aruula seufzte, schlug aber bereits die Bettdecke zurück und griff nach ihrem Fellmantel.
»So fängt es jedes Mal an«, glaubte er sie murmeln zu hören.
Matt steckte den Driller in die Hosentasche, ließ das Schwert jedoch liegen. Im Gegensatz zu Aruula, die ihr Schwert unter dem Fellmantel verbergen konnte, hatte er keine Möglichkeit, eine so große Waffe unterzubringen, ohne dass sie auffiel. Gemeinsam traten sie hinaus in die Morgensonne. Matt fiel auf, dass wesentlich mehr Diener als am Vortag zu sehen waren. Sie arbeiteten in kleinen Gruppen zusammen, wuschen die Steinplatten ab oder eilten über die Wege. Er fragte sich, ob diese Verstärkung eine Reaktion auf den gestrigen Angriff war. Unwillkürlich suchte er nach Kiri, konnte sie jedoch nirgends entdecken.
Aruula sah sich einen Moment um und zeigte dann auf einen Weg, der mitten durch die Parkanlagen führte.
»Da lang«, sagte sie.
Sie gingen langsam, wie Spaziergänger, die kein eigentliches Ziel haben. Einige Diener neigten den Kopf, wenn sie ihnen begegneten, aber niemand fragte, wohin sie wollten. Nur ab und zu bemerkte Matt einen neugierigen Blick.
»Dort ist es.« Aruulas Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Matt drehte den Kopf und betrachtete das Haus, das halb versteckt hinter einigen Trauerweiden lag. Er glaubte nicht, dass es schwierig sein würde, es unbemerkt zu erreichen. Gerade wollte er den Weg verlassen, als zwei Diener zwischen den Bäumen auftauchten. Sie hielten Schaufeln in den Händen und unterhielten sich angeregt.
»Hast du jemals zuvor so etwas erlebt?«, hörte Matt den einen sagen, als sie an ihm vorbeigingen. »Die Begeisterung, der Jubel… es war großartig.«
»Du hast Recht«, antwortete der andere, »Wie oft im Leben hat man schon die Gelegenheit, ein perfektes Spiel zu sehen? Dieser Ramirez ist wirklich unglaublich.«
Dann waren sie außer Hörweite, aber Matt sah ihnen weiter nach. Er konnte nicht so recht glauben, was er gerade mitverfolgt hatte. Es war eine Unterhaltung, die er in einem Imbiss in New York erwartet hätte, aber nicht in dieser Siedlung, fünfhundert Jahre vom letzten Major League Spiel entfernt.
Little Will Ramirez, dachte er. Der Pitcher der New York Yankees hatte an einem Oktobertag im Jahr 2010 gegen die Houston Astros das Spiel seines Lebens gespielt. Matt erinnerte sich noch gut an die Atmosphäre im Stadion, an die ausgelassenen Feiern in den Bars der Stadt… und hier unterhielten sich zwei Menschen, als sei das erst gestern geschehen.
»Was ist los?«, fragte Aruula.
Matt hob die Schultern. »Wenn ich das nur wüsste.«
Doch der Gedanke an die Unterhaltung ließ ihn nicht mehr los.
***
Die Dienerin verneigte sich. »Takeo- san ist jetzt bereit, Sie zu empfangen.«
»Danke.« Crow nickte knapp und ging an ihr vorbei in das große Büro. Nicht zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass Takeo es nur benutzte, um Gäste zu empfangen, denn die Schreib- tischplatte war völlig leer und die Regale an den Wänden waren mit uralten Büchern gefüllt, die keinen praktischen Zweck zu erfüllen schienen. Takeo saß hinter dem Schreibtisch und zeigte auf einen freien Stuhl.
»Setzen Sie sich, General. Was kann ich für Sie tun?«
Crow nahm Platz. »Mr. Takeo«, sagte er ohne Umschweife, »mir ist zu Ohren gekommen, dass sich der vom Weltrat gesuchte Verbrecher Matthew Drax in Ihrer Siedlung aufhält. Im Rahmen unseres Kooperationsabkommens möchte ich Sie bitten, ihn auszuliefern, damit er in Washington vor Gericht gestellt werden kann.«
»Was wird ihm vorgeworfen?«
»Sabotage, Körperverletzung, Mord…« Crow winkte ab. »Die Liste ist so lang wie mein Arm. Glauben Sie mir, Sie erweisen
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