0493 - Janes Umkehr
den Arm aus, drehte sich und legte ihr die Hand auf die Schulter. Dabei fing sie an zu kichern. »Ja, mein Täubchen, so ist das. Irgendwann kehrt jeder wieder zu uns zurück. Magst du mich eigentlich?«
Jane nickte.
»Das ist gut«, flüsterte ihre neue Freundin und strich durch Janes Haar, »dann wirst du auch unseren Herrn und Meister Abandur mögen. Das glaube ich fest.«
Jane konzentrierte sich auf das Gleiten der Finger, die sich anfühlten wie Spinnenbeine. Spitze Nägel kratzten über ihre Kopfhaut. Jane bekam einen Schauer, den sie nicht einmal als unangenehm empfand. Auch dann nicht, als die Hexe ihren Arm an der Beuge faßte und sie aus der Scheune zog.
Die Sonne war inzwischen verschwunden. Schatten lagen über dem Land. Man konnte noch gut sehen, aber bald würde die Dämmerung hereinbrechen.
Jane ließ sich willig führen. Sie gingen nicht den Weg zurück, den sie gekommen war, sondern wandten sich scharf nach rechts, so daß sie an der Längsseite der Scheune entlangschritten, um deren Rückseite zu erreichen.
Dort begann ein schmaler Weg. Hohes Unkraut wuchs auf ihm. Rechts und links säumten dichte Büsche seinen krummen Verlauf. Er führte in die Höhe, einem kleinen Hügel entgegen, auf dem Krüppelbäume wuchsen. Die Bäume bildeten eine Art Grenze. Hinter ihnen änderte sich die Umgebung. Sie war waldreicher und auch hügeliger. So bot sie schon bessere Verstecke für jemand, der nicht gesehen werden wollte.
Die Hexe hatte Jane Collins wie ein kleines Kind an die Hand genommen und führte sie weiter.
Nicht einmal leistete die Detektivin Widerstand. Sie gab sich ganz den Kräften dieser Person hin, denn sie würde es sein, die sie zu ihrem Ziel führte, das sicherlich nicht weit entfernt lag. Nachdem sie einen Hang hinabgerutscht waren und ein Gebiet erreichten, wo wilde Sommerblumen in der Mulde wuchsen, weil der Boden dort feuchter war, lösten sich aus der natürlichen Deckung zwei weitere Gestalten.
Jane blieb stehen, als sie die Frauen sah. Doch ihr wurde bewußt, daß sie ihr nichts tun würden, da auch sie zu denjenigen gehörten, die auf Jane gewartet hatten.
»Sie ist da«, sagte die Hexe, die Jane abgeholt hatte.
»Ja, wir sehen es.«
Die alten, häßlichen Weiber wirkten wie Gestalten aus einem Märchenbuch. Sie näherten sich der Detektivin. Sie traten so dicht an Jane heran, daß diese die anderen beiden riechen konnte. Die Hexen strömten einen widerlichen Geruch aus. Nach Fäulnis, nach Grab und Vergänglichkeit. Jane glaubte auch, Schwefelgestank zu riechen. Als die Hände durch ihr Haar fuhren, einzelne Strähnen anhoben, um sie durch die Finger gleiten zu lassen, da wallte noch einmal Widerstand in ihr hoch, der aber schnell zusammensank, weil die Hexen stärker waren.
Jane fiel zwar nicht, sie sackte jedoch regelrecht zusammen und ließ es mit sich geschehen, daß die Hexen sie abtasteten, wobei ihre langen, trockenen und wie knorrig wirkenden Finger auch unter den Stoff der Kleidung glitten, wo sie die Linien des Körpers genau nachzeichneten und auch die Brüste nicht ausließen.
Jane stand da wie versteinert. Sie hörte die schmutzigen Bemerkungen und auch das Lachen der Hexen.
Eine sagte: »So wird sie unserem großen Abandur gefallen. Er liebte schon immer die Schönheit und die Körper der Frauen.«
»Ja, laßt uns gehen.«
Vor Jane tanzten die Hexen, winkten ihr mit obszönen Gesten zu und deuteten ihr an, ihnen zu folgen.
»Komm schon, schönes Mädchen. Auch wir waren einmal so prächtig und schön wie du. Dann gerieten wir an Abandur. Er wird dir deine Schönheit schon nehmen, beim großen Polterabend der Hexen…«
***
Ich hatte mit Suko gesprochen, ihm alles erklärt und mir auch Vorwürfe anhören müssen, weil ich so etwas wie einen Alleingang gewagt hatte.
»Sorry, Alter, es hat mir auch leid getan, aber es ließ sich nicht mehr ändern.«
»Gut. Und was hast du jetzt vor?«
»Ich wühle zusammen mit Lady Sarah das Archiv durch. Leider hat die Fahndung bisher noch keinen Erfolg gebracht. Janes Wagen wurde nicht gefunden.«
»Soll ich dir helfen?«
»Nein, fahr du mal nach Hause und warte auf mich. Vielleicht finde ich ja eine Spur.«
»Das würde ich uns gönnen.« Suko räusperte sich. »Noch etwas, John. Glaubst du an eine Chance für Jane?«
»Solange sie lebt, immer.«
»Das sind Sprüche.«
»Ich weiß, Suko.« Mit diesen Worten legte ich auf und drehte mich zu Lady Sarah um.
Sehr ernst blickte sie mich an. »Bisher haben wir es
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