0496 - Die Stadt der Toten
in der Echsenwelt vergeht die Zeit wesentlich schneller. Für die Stunde, die Miß Corda und Mister Calhoun sich nun bereits in dieser Welt befinden, kann drüben auf der Erde ein halber oder ganzer Tag vergangen sein. Und wenn Julian sich zusätzlich auch noch in eine seiner Traumwelten zurückgezogen haben sollte, ist er so oder so nicht mehr zu finden.«
Verständnislos sah Dany Corda von einem zum anderen.
»Es klingt alles viel komplizierter, als es ist, Miß Corda«, warf Carlotta ein. »Ich habe damals auch einige Zeit gebraucht, bis ich alles begriffen habe, nachdem ich diese Leute kennenlernte. Aber wenn man erst einmal lernt, das scheinbar Unglaubliche zu akzeptieren, ist es alles schon gar nicht mehr so schlimm…«
»Wir sind gleich da«, meldete der Pilot.
Zamorra sah aus den Fenstern. Das Antriebssummen des Schwebers veränderte sich um keine Nuance, aber es war zu sehen, daß er jetzt rapide an Höhe und Geschwindigkeit verlor. Zamorra sah das Gebilde einer Stadt unter sich -oder besser das, was die Echsen als Stadt bezeichneten. Ein Spinnennetz von Straßen zog sich durch die Landschaft, in der überall große, eiförmige Gebilde verstreut lagen - die Häuser der Sauroiden, bezeichnenderweise auch Wohnei genannt. Es gab keine Wohnblöcke wie auf der Erde, sondern immer nur Einzelbauten. Jeder Sauroide wohnte für sich allein, allenfalls mit seiner Gefährtin und dem Gelege zusammen, oder später mit den geschlüpften Jung-Sauroiden.
Zwischen den Wohneiern gab es noch die öffentlichen Gebäude wie Schulen, Versammlungshäuser oder auch den Tempel der Kälte mit seinem Meditations- und Forschungszentrum.
Im rückwärtigen Teil des Schwebers erhob sich jemand. Perry Calhouns Wunden hatten sich geschlossen; die Sauroiden hatten so etwas wie ein kleines Wunder vollbracht. Verwirrt sah Calhoun sich um. »Was ist passiert? Wo bin ich? Warum zum Teufel -wer hat mich ausgezogen? Und - Allmächtiger.« Er sah die Reptilköpfe und verstummte entgeistert.
»Das sind Ihre Samariter, Mister Calhoun«, sagte Zamorra. »Ich denke, Sie verdanken den Sauroiden Ihr Leben.«
Nicole seufzte.
»Jetzt geht das umständliche Erklären schon wieder los«, stöhnte sie.
***
Der Mann im marineblauen Anzug mit Hut, Handschuhen und Sonnenbrille hätte in jedem zweitklassigen Kriminalfilm mühelos die Rolle eines Mafioso übernehmen können. »Er hat die Abhörinstrumente entdeckt und ausgeschaltet, Colonnello«, berichtete er. Sebastian erhob sich hinter dem Schreibtisch. »Wie es zu erwarten war«, schmunzelte er. »Nun wird er sicher darüber nachgrübeln, weshalb wir Haus und Auto mit dermaßen leicht zu entdeckenden Mikrofonsendern gespickt haben.«
»Scusi, aber auch ich kann keinen Sinn darin erkennen«, brummte der Mann mit dem Hut.
Sebastian lächelte. »Es wird ihn motivieren«, sagte er. »Und er wird von der Frage abgelenkt, weshalb ich die Sperre für ihn nicht aufheben lassen wollte. Jetzt kann er seinen Ehrgeiz entwickeln, es uns erst recht zu zeigen.«
»Und warum läuft dieses Spiel um so viele Ecken herum ab?«
Sebastian zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie noch länger für meine Abteilung arbeiten wollen, Rocco, sollten Sie lernen, daß Ihr Kopf nicht nur dazu da ist, Hut und Sonnenbrille einen Halt zu geben und Ihren Kragen nicht so leer erscheinen zu lassen, sondern daß er auch noch ein Gehirn umschließt. Benutzen Sie es.«
Rocco brummte etwas Undefinierbares.
»Sehen Sie, wir sind eine Behörde, Rocco. Wir unterstehen dem Innenministerium und koordinieren die Zusammenarbeit mit den Polizeiorganen und dem Militär. Wir stecken mitten in der Erforschung dieses seltsamen Phänomens. Wir können uns nicht den Imageverlust erlauben, den wir sofort erleiden würden, gäben wir offen zu, auf die Hilfe eines Zivilisten angewiesen zu sein. Wenn er von selbst an dem Fall arbeitet, können wir hinterher seine Resultate ›beschlagnahmen‹. Das ist dann etwas ganz anderes. Aber damit er wirklich motiviert ist, stacheln wir ihn an.«
»Aber mit Abhörgeräten, die so dilettantisch installiert sind, daß er sie sofort findet?«
Sebastian lächelte. »Er soll sich seine Gedanken machen. Er soll grübeln, ob wir wirklich so dumm sind, wie wir tun. Und er wird allein deswegen am Ball bleiben, um uns weiter zu provozieren.«
»Ziemlich krause Logik, Colonnello«, brummte Rocco. »Aber Sie sind der capo. Was kommt als nächstes? Soll ich ihn beschatten und mich abhängen lassen?«
»Unsinn. Wir wissen
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