0497 - In drei Minuten bist du tot
der Halle. Einen zweiten fanden wir draußen auf der Terrasse, etwa zehn Schritte von Violet Kerber entfernt. Sie hatte die Hollywoodschaukel mit Beschlag belegt, blätterte in einigen Illustrierten und schien vor Langeweile umzukommen.
Ich stellte Phil vor. Natürlich hatte die Lady meinen Namen längst vergessen. Mich hochgezogenen Augenbrauen musterte sie uns. Sie ließ die Illustrierten vom Schoß rutschen und lehnte sich bequem zurück.
»Rennen Sie etwa immer noch hinter diesem Bombenleger her?« erkundigte sie sich gleichgültig.
»Gewiß, Madam«, versicherte Phil. »Schließlich müssen wir damit rechnen, daß er seinen Anschlag wiederholt.«
»Wirklich? Ich glaube nicht daran. Im Gegensatz zu meinem Mann…« ihre Lippen kräuselten sich verächtlich, »… bin ich keine Hasennatur. Sie wissen, daß er die Flucht ergriffen hat?«
»Ich würde das Klugheit nennen. Wir haben ihn zu diesem Entschluß beglückwünscht, Madam.«
Sie winkte ab. »Wäre ich ein Mann, würde ich mit der Pistole in der Hand antworten.«
Phil grinste. »Gegen einen Schuß aus dem Hinterhalt ist man leider machtlos. Helden leben meist nicht lange. Ihr Gatte hat jedenfalls großes Glück gehabt, daß die Kugel ihn verfehlt hat. Wohin ist er übrigens gereist?«
»Wie ich ihn kenne, wird er sich frühestens in Honululu sicher fühlen. Er hat es nicht für nötig gehalten, mich Über seine Reisepläne zu informieren. Sie sollten einmal bei seiner Freundin anfragen.«
Die Kerbers schienen das zu führen, was man eine zerrüttete Ehe nennt. Das Leben hatte ihnen in materieller Hinsicht zwar alle Wünsche erfüllt. Doch ging sie ihre Wege, er die seinen, und keiner kümmerte sich um den anderen . Woran abzulesen war, daß Geld allein noch lange nicht glücklich macht.
»Darf man erfahren«, warf ich ein, »wie die Dame heißt?«
Violet schnippte spöttisch mit den Fingern. »Dame? Sie ist Fotomodell. Petula Ivory, 4281 Park Avenue. Ist das exakt genug?«
»Das ist sogar protokollgerecht, Madam. Sagt Ihnen der Name Pietro Genova etwas?«
»Mein Mann hat lange genug von ihm geschwätzt. Ich erinnere mich sogar noch an den Prozeß vor Jahren, in dem mein Mann den Gangster verteidigt hat. Damals habe ich Vincent für den fähigsten Anwalt des Kontinents gehalten. Irren ist menschlich.«
Violet lachte schadenfroh, »Ist es nicht ein Witz, daß ausgerechnet dieser Genova meinem Mann jetzt an den Kragen will? Zum Dank dafür, daß er schon nach fünf Jahren wieder in die Freiheit entlassen worden ist? Und das schönste ist, er hat Vincent nicht einen roten Cent Honorar gezahlt.«
»Kein feiner Zug von Genova«, spöttelte Phil, »Sie sind nie mit dem Gangster in Berührung gekommen?«
»Doch. Und bestimmt wissen Sie das ganz genau, also fragen Sie gar nicht erst.«
»Pardon, Madam - wir wußten es nicht! Sie haben ihn tatsächlich gekannt?«
»Das wäre wieder zuviel gesagt. Er ist mir auf einigen Partys begegnet. Ich habe sogar mit ihm getanzt, und ich muß sagen, daß er sich wie ein Gentleman benommen hat. Schließlich war er damals ein einflußreicher Mann, der seine Hände in hundert Geschäften hatte.«
Der Butler Bing tauchte in der Terrassentür auf. Er trug einen riesigen Blumenstrauß aus etwa dreißig blutroten Rosen. In der anderen Hand hielt er ein in Seidenpapier gehülltes, mit rotem Seidenband verschnürtes Päckchen. Er baute sich vor Violet Kerber auf. »Das wurde soeben von einem Boten abgegeben, Madam.«
»Oh! Danke!« Sie nahm den Blumenstrauß und legte ihn auf die Schaukel neben sich. Unsere Anwesenheit schien sie vergessen zu haben. In ihren Augen waren wir ja nur kleine Fische. Der Butler verbeugte sich wieder und ging ins Haus zurück. Violet zog ein Kärtchen aus dem Blumenstrauß.
Ich brauchte mir nicht den Hals zu verrenken, um die wenigen mit Maschine geschriebenen Worte zu lesen: »In glühender Verehrung stets Ihr Charlie Gregg.«
Für einen Mann, der mit Verbrennungen zweiten Grades im Hospital lag, noch dazu unter polizeilicher Bewachung, fand ich diese Aufmerksamkeit geradezu rührend. Aber schon in der Sekunde danach blitzte ein Verdacht in mir auf. Stammte dieses schöne Angebinde tatsächlich von Charlie? Oder war das ein Kuckucksei?
Violet Kerber löste das rote Seidenband von dem Päckchen und riß achtlos das bunte Papier ab. Darunter kam eine Schmuckschatulle zum Vorschein, er war zwanzig Zoll lang, zehn Zoll breit und ebenso tief. Es war mit genarbtem Leder und Goldnägeln
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