0497 - In drei Minuten bist du tot
Augenaufschlag. »Muß ich darauf antworten? Er ist nämlich verheiratet.« Ich tat ganz arglos. »Es ist doch nicht verboten, daß ein verheirateter Mann einen Besuch bei einer anderen Frau macht. In allen Ehren natürlich.«
»Natürlich in allen Ehren! Was denn sonst! Ich bin nicht so eine…«
»Keineswegs. An sich wollten wir nur von Ihnen erfahren, ob Sie wissen, wohin Mr. Kerber verreist ist.«
»Verreist ist er? Ohne mich? Der Schuft!«
»Hat er Ihnen nicht gesagt, daß jemand ihm nach dem Leben trachtet?« Sie nickte heftig. »Ist es nicht schrecklich? Ich habe richtige Angst um ihn ausgestanden. Als er mich gestern abend anrief, hätte er mir doch wenigstens sagen können, daß er verreisen will. Woher wissen Sie überhaupt, daß Vincent und ich - daß er mich manchmal besucht?«
»Von seiner Frau!« entgegnete Phil wahrheitsgemäß.
Petula ballte die Fäuste. »Diese Schlange! Sie sucht nur nach einem Scheidungsgrund! Ich bin ein anständiges Mädchen. Ich will Karriere machen und denke gar nicht daran, mich an einen verheirateten Mann zu binden.« Das glaubte ich ihr unbesehen. Mochte sie auch dumm wie Bohnenstroh sein, so war sie doch gleichzeitig mit jener Raffinesse ausgestattet, die sie klar erkennen ließ, daß gerade so gutsituierte Männer wie Vincent Kerber und Samuel Merritt auf ihr Puppengesicht flogen. Vielleicht ging ihr Karrieretraum sogar in Erfüllung. Im Showgeschäft sind die unglaublichsten Sachen möglich, wenn auch der Dauererfolg zu wünschen übrig läßt.
Phil ließ seine Augen ungeniert Spazierengehen. Plötzlich stand er auf, trat an die Vitrine und deutete auf das Foto eines Mannes, der in Boxstellung mit Acht-Unzen-Handschuhen seine Muskeln präsentierte. »Den Boy muß ich doch kennen!« rief er. »Ich wette, daß ich ihn schon gesehen habe. Ich komme aber nicht auf den Namen…«
»Haben Sie ihn wirklich kämpfen sehen?« zwitscherte Petula begeistert. »Ist er nicht ein toller Bursche? Und Muskeln hat er, yeah!«
»Man sieht’s. Wie heißt er?«
»Harry Sefton. Schade, daß er nicht mehr boxen darf. Sie haben ihm wegen einer Schlägerei die Lizenz entzogen.« Phil wechselte einen schnellen Blick zu mir. Er verbarg sein Interesse hinter einem gleichgültigen Nicken. »Richtig. Harry Sefton. Ist schon eine Zeit her, daß ich ihn gesehen habe, sonst wäre mir der Name nicht entfallen. Kommt er öfter zu Ihnen, Petula?«
Sie winkte ab. »Manchmal. Er ist nicht meine Klasse, wissen Sie. Noch nicht mal eine Krawatte bindet er sich um. Und Geld hat er auch nie. Immer will er mich anpumpen, und jedesmal verspricht er mir, er sei eines Tages ein gemachter Mann. Da kann ich nur milde lächeln.«
»Wer weiß«, meinte Phil. »Vielleicht hat er Gold in den Fäusten. In letzter Zeit haben Sie ihn nicht gesehen?« Petula Ivory dachte nach. »Das ist bestimmt schon vierzehn Tage her. Nicht einen Nickel hatte er in der Tasche. Ich habe ihm einen Schein gegeben. Ich kann nun mal keinen Menschen lei.den sehen.«
»Sie sind ein Engel«, sagte ich. Aber ich meinte es in anderer Beziehung als sie. Hier hatten wir erstmalig eine warme Spur des Mannes gefunden, den wir als Zeugen gegen Charlie Gregg dringend brauchten. Diesmal hatten Phils scharfe Augen uns weitergebracht. Er hatte Harry Sefton nie im Boxring gesehen, wohl aber sein Foto in unserem großen Album. Wir verabschiedeten uns und wünschten Petula Ivory alles Gute für ihre Karriere. Sie sah ganz so aus, als könnte sie Samuel Merritt einen fetten Vertrag aus der Tasche ziehen.
***
An diesem Abend sollte Pietro Genovas großer Coup steigen.
Nach all den Fehlschlägen war er überzeugt, daß es jetzt nicht mehr schiefgehen konnte. In dieser Beziehung war er abergläubisch wie ein Schauspieler, der sich geradezu eine mißglückte Generalprobe wünscht, damit es hinterher volle Häuser und einen Bombenerfolg gibt.
Die 200 000 Dollar waren allerdings im Eimer. Aber jetzt winkte viel größere Beute. Alles war bis ins letzte Detail geplant. Diesmal konnte nichts schiefgehen.
Schläger-Harry fuhr den Wagen. In gleichmäßigem Tempo rollten sie aus dem Hafenviertel heraus. Der Schränker Clem Cardin rutschte nervös auf dem Sitz hin und her. Ihm fehlte die Flasche. Er gierte förmlich nach Schnaps. Was nutzte ihm das schönste Geld, wenn er nicht mal die Kehle anfeuchten durfte. Bei der Arbeit jedoch kannte Pietro Genova kein Pardon.
Sie hielten in einer stillen Seitenstraße unmittelbar vor einem Kanaldeckel. Nur düstere
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