0498 - Wenn Götter morden
englischsprachige Ausgabe der hiesigen Tageszeitung ergattert. Der rätselhafte Doppelmord im Sobek-Tempel bei Isna war der Zeitung eine einspaltige Meldung von etwa 20 Zeilen Umfang wert gewesen. »Ein Mann und eine Frau werden in einem Tempel des Krokodilgottes ermordet, und Nicole und ich träumen von mörderischen Krokodilen… verflixt, da stimmt doch was nicht. Außerdem gibt es in diesem Bereich des Nils längst keine Krokos mehr. Die schwimmen alle weiter südlich.«
»Was du schon einmal angedeutet hast«, stellte Tendyke fest. »Ihr seid also neugierig geworden?«
»Weder neugierig noch masochistisch. Weder Nicole noch ich sind daran interessiert, in den nächsten Nächten Neuauflagen dieses Alptraumes genießen zu müssen. Wir packen unsere Sachen und verschwinden.«
»Interessiert euch nicht, daß das Flußpferd, von dem Nicole geträumt zu haben glaubt, ebenfalls eine altägyptische Gottheit darstellen könnte? Damit wäre nach Sobek jetzt auch Tawaret im Spiel.«
»Und er ist das?« wollte Nicole wissen. »Klingt fast wie towarischtsch, aber vom heutigen Russisch hat man vor 5.000 Jahren noch nicht mal träumen können.«
»Tawaret ist demzufolge keine russische Erfindung, was unseren Freund, Professor Boris Saranow, möglicherweise betrüben würde«, sagte Zamorra. »Tawaret wird dargestellt als eine nackte Frauengestalt mit dem Kopf eines Flußpferdes, Löwenpranken und Krokodilschwanz.«
»Schon wieder so ’n Handtaschenlieferant«, seufzte. Nicole.
»Diese Göttin galt damals als die Schutzherrin der Schwangeren«, erklärte Zamorra weiter.
Nicole stutzte. »Und dann ist dieses Wesen mit von der Partie, wenn Krokodile einen Menschen auffressen?«
»Wenn wir davon ausgehen, daß die mordenden Krokodile mit Sobek zu tun haben, ist das auch schon überraschend«, behauptete Zamorra. »Der galt nämlich als ›Herr des Nil‹ und als Beschützer.«
»Vorwiegend der Pharaonen«, fügte Tendyke hinzu. »Die aber waren ja angeblich ebenfalls göttlicher Abkunft, so daß ihr Beschützer Sobek sich um normale Sterbliche weniger zu kümmern brauchte. Zumindest hat er seinerzeit die Nil-Krokodile nicht davon abgehalten, des Pharaos Untertanen zu verschlingen, wenn sie unvorsichtig genug waren. Die hat er nicht beschützt.«
»Das weißt du so genau, weil du dabei warst«, sagte Zamorra provozierend.
Tendyke hob nur die Brauen und ging nicht in die Falle. »Ägypten ist nie interessant für mich gewesen. Hier gibt’s rechts und links des Nils zuviel Wüste. Mir sind tropische Regenwälder lieber.«
Nicole griff nach Zamorras Hand. »Du kannst dich in deinem Traum nicht an das Flußpferdwesen erinnern?«
Er schüttelte den Kopf. »Du fragst dich jetzt, wieso du es sehen konntest«, riet er. »Ich kann mich nur erinnern, daß nicht alle beteiligten Krokodile Krokodile waren. Das Detail hast in diesem Fall du erkannt.«
»Tawaret, Schirmherrin der Schwangeren… aber ich bin doch nicht schwanger!« entfuhr es ihr.
»Du könntest es aber werden«, sagte Zamorra. »Vielleicht hat Tawaret sich dir ganz allgemein so von Frau zu Frau gezeigt, und ich habe Sobek gesehen, von Mann zu Mann.«
Tendyke schmunzelte. »Ihr reist also doch nicht ab. Dafür seid ihr beide viel zu neugierig geworden!«
Ein Mann mittleren Alters mit einem kunstvoll um seinen Kopf gewundenen Turban trat an ihren Tisch.
»Ich bitte um Vergebung für die Störung. Mögen die glücklichen Tage Ihres Lebens so zahlreich sein wie die Sandkörner in der Wüste. Wenn Sie Mister Robert Tendyke und Begleitung sind, läßt mein Herr Sie höflichst bitten, sich meiner Führung anzuvertrauen, sobald es Ihnen genehm ist. Ich soll Sie zu ihm bringen.«
»Ach, er ist also wieder im Hotel?« fragte Tendyke sarkastisch.
»Nicht im Hotel, Sir. Ich soll Sie führen. Mein Herr möchte an einem neutralen Ort mit Ihnen Zusammentreffen.«
Nicole wollte etwas sagen, aber Zamorra kam ihr zuvor und sprach, während er sie mit einer schnellen Handbewegung am Reden hinderte; in Ägypten verhandelten die Männer und die Frauen schwiegen. Was Nicole sagen wollte, wußte er sowieso. »Sie reden von ihm so ehrfürchtig, als wäre er der Sheriff oder Kalif und Sie sein Leibeigener«, sagte er. »Was bindet Sie so sehr an diesen Mann, daß Sie nur von ihm reden und es dabei versäumen, Ihren Namen zu nennen? Mich nennt man Zamorra. Die Gefährtin meiner guten und schlechten Tage, neben mir sitzend, ist Mademoiselle Duval.«
»Ich bin Abdallah«, sagte der
Weitere Kostenlose Bücher