0499 - Garingas Fluch
spürte, daß die Zeit reif war. Ich habe einfach das Vertrauen verloren, ich…«
»Deshalb bist du zu mir gekommen?«
»Ja. Ich will wissen, ob du ebenso gehandelt hättest.«
»Das kann ich dir nicht sagen. Ich kann auch dein schlechtes Gewissen nicht beruhigen. Ich kann dir nur den Rat geben, zu beten und darauf zu vertrauen, daß es John Sinclair schafft. Du weißt genau, wie gefährlich Baphometh und dessen Diener sind. Auch wenn es nicht so aussieht, haben sie über viele Dinge die Kontrolle erhalten. Daran solltest du immer denken. Wenn John Sinclair das Schwert Gottfried von Bouillons bekommt, wird er es auch so einsetzen, wie es sich für einen Kämpfer, wie er es ist, gehört.«
»Dann vertraust du ihm?«
»Ich muß.«
»Und wenn er den Dunklen Gral findet?« fragte der Abbé.
»Wird es sich zeigen, ob er auch in der Lage ist, ihn zu behalten und mit ihm zurechtzukommen. Er weiß nicht, wer oder was der Dunkle Gral ist. Obwohl er es eigentlich hätte wissen können, aber es ist einfach zuviel passiert, deshalb wird er um so überraschter sein, wenn er die Wahrheit erfährt. Ich kann mir keinen besseren Mann vorstellen als ihn. Er ist der Sohn des Lichts. Er besitzt das Kreuz, deshalb soll er auch den Dunklen Gral bekommen oder zumindest erfahren, wer der Gral ist.«
»Es existieren viele Geschichten über den Gral.«
»Ich weiß, Abbé. Aber der Heilige Gral ist nicht gleichzusetzen mit dem Dunklen. John Sinclair jagt nicht dem Gral nach, der in der Parzival-Erzählung vorkommt. Es ist nicht die Schale, in der das Blut des Gekreuzigten aufgefangen wurde, wie der Dichter Wolfram von Eschenbach meinte. Nein, das ist eine andere Spur, obwohl sie mit Gottfried von Bouillon zusammenhängt, der sich später als der König von Jerusalem bezeichnete, weil auch der Gekreuzigte ein König war. Es gibt viele Spuren, aber nicht jede führt auch zum Ziel.«
»Dein Wissen ist gewaltig, Hector.«
»Dabei weiß ich viel zu wenig. Allerdings habe ich in die Geheimnisse des Dunklen Grals Einblick nehmen können. Ich bin informiert, aber ich bin gleichzeitig verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren. John Sinclair muß seinen Weg allein gehen, ebenso wie du im Kampf gegen Baphometh und die den Götzen anbetenden Templer, die Verdammten unter uns, die einfach nicht auszurotten sind. Sie haben sich wieder formiert, sie bilden eine Macht, und sie wollen die christliche Geschichte verspotten und auf den Kopf stellen. Hüte dich vor ihnen, Abbé, hüte dich und hoffe darauf, daß sie den Dunklen Gral nicht bekommen. Er ist gut bewacht, aber seine Wächter liegen in den Gräbern, getötet von einem Dämon namens Garinga, der trotzdem keinen Sieg erringen konnte…«
Da sich der Geist des Hector de Valois nicht mehr meldete, nickte der Abbé. Er faßte seine Abschiedsworte zusammen. »Ich bin dennoch froh, den Weg zu mir gefunden zu haben, auch wenn ich keine klare Antwort bekommen habe. Wir sind hier, um dich zu beschützen. Wir werden es nicht zulassen, daß Baphometh die Herrschaft über die Kathedrale übernimmt, und ich besitze den Würfel, der mich sehend, hörend und riechend macht. Ich bin über meine Blindheit nicht mehr unglücklich. Ich danke dir…«
Noch einmal verbeugte sich der Abbé. Danach ließ er den Würfel wieder unter seiner Kleidung verschwinden. Auch der Geist des Hector de Valois meldete sich nicht mehr. Zwischen den Felsen war es tatsächlich still wie in einer leeren Kirche.
Bloch drehte sich auf der Stelle.
Seine im Hintergrund wartenden Begleiter hatten die Bewegung gesehen. Für sie war es das vorher abgesprochene Zeichen. Mit raschen Schritten näherten sie sich dem Abbé und faßten ihn wieder unter, wobei sie scheue Blicke auf das silberne Skelett warfen, das ihnen beiden nicht geheuer war.
»Sollen wir dich wieder zurückgeleiten?«
»Ja, führt mich hinaus.«
Sehr vorsichtig gingen die drei Templer zurück. Bloch war den Weg über schweigsam, und seine Begleiter wagten auch nicht, ihm eine Frage zu stellen.
Nach wenigen Minuten hatten sie die Schlucht verlassen. Der Abbé konnte wieder freier atmen. Er spürte den Sommerwind. Warm strich er gegen sein Gesicht und brachte den Geruch von Blumen und Gras mit. Allen Prognosen zum Trotz war es dennoch ein schöner Sommer geworden, allerdings auch heiß.
Der Abbé und seine Templer hatten sich in Alet-les-Bains niedergelassen. Dieser schon in tiefer Vergangenheit erwähnte Ort lag zentral. In seiner unmittelbaren Umgebung befanden
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