05 - Der Kardinal im Kreml
beirren.
«Mr. President. Narmonows politische Schwierigkeiten sind uns bekannt. Das Verschwinden unseres Agenten wird keinen größeren Effekt haben als seine Festnahme durch das KGB.»
«Ich finde das Risiko trotzdem zu hoch», sagte Jeffrey Pelt. «Narmonow bietet uns eine historische Gelegenheit, denn er will das sowjetische System wirklich fundamental ändern - diese Einschätzung kommt immerhin von Ihren eigenen Leuten.»
Diese Chance bot sich unter Kennedy schon einmal, aber wir haben sie vertan, dachte Moore. Dann stürzte Chruschtschow, und wir mußten uns zwanzig Jahre lang mit Parteihengsten herumschlagen. Nun mag es eine neue Chance geben. Und Sie befürchten, daß sich eine so gute Gelegenheit nie wieder bietet. Nun, so kann man es auch sehen, gestand er insgeheim zu.
«Jeff, das Herausholen unseres Agenten wird Narmonows Position nicht mehr beeinträchtigen als dessen Verhaftung -»
«Warum hat man ihn eigentlich noch nicht geschnappt, wenn man ihm auf der Spur ist?» fragte Pelt aggressiv. «Oder ist das mal wieder eine Überreaktion von uns?»
«Der Mann arbeitet seit dreißig Jahren für uns. Wissen Sie, welche Risiken er für uns eingegangen ist, welche Informationen er uns beschafft hat? Können Sie sich vorstellen, wie es ist, dreißig Jahre unter einem Todesurteil zu leben? Was bedeuten denn die Werte dieses Landes, wenn wir diesen Mann im Such lassen?» sagte Moore ruhig und entschlossen. Mit solchen Argumenten ließ sich der Präsident immer umstimmen.
«Und wenn wir dabei Narmonows Sturz verursachen?» fragte Pelt. «Was, wenn Alexandrows Clique ans Ruder kommt und die alte Wirtschaft wieder losgeht - neue Spannungen, ein neues Wettrüsten? Wie sollen wir dem amerikanischen Volk beibringen, daß wir diese Chance eines Mannes wegen geopfert haben?»
«Das Volk wird das nie erfahren, wenn alle dichthalten», erwiderte Moore kalt. «Daß die Russen damit nicht an die Öffentlichkeit gehen werden, wissen Sie selbst. Aber wie sollen wir erklären, daß wir den Mann weggeworfen haben wie ein benutztes Papiertaschentuch?»
«Das werden sie auch nicht erfahren, wenn alle dichthalten», versetzte Pelt ebenso kalt.
Der Präsident rührte sich. «Wer weiß über diese Angelegenheit Bescheid?»
Judge Moore breitete die Hände aus.
«Admiral Greer, Bob Ritter und ich. Dazu ein paar Agenten im Feld, aber denen ist die politische Tragweite nicht bewußt. Mit Ihnen, Sir, und Dr. Pelt sind also nur fünf Personen über das Gesamtbild informiert.»
«Arthur, Sie sagen, dieser Agent - seinen Namen will ich gar nicht erst wissen - habe uns dreißig Jahre lang Daten von kritischer Bedeutung geliefert und sei jetzt in Gefahr; wir seien also moralisch verpflichtet, ihn herauszuholen.»
«Jawohl, Mr. President.»
«Und Sie, Jeff, meinen, der Zeitpunkt sei ungünstig; die Enttarnung eines so hochplazierten Spions könne zu Narmonows Ablösung durch eine andere, uns feindlich gesinnte Regierung führen.»
«Jawohl, Mr. President.»
«Und wenn dieser Mann stirbt, weil wir ihm nicht geholfen haben?»
«Dann verlieren wir wichtige Informationen», sagte Moore. «Die Auswirkungen für Narmonow blieben weitgehend gleich, aber wir hätten einen Mann verraten, der uns dreißig Jahre lang treu gedient hat.»
«Jeff, könnten Sie damit leben?» fragte der Präsident seinen Sicherheitsberater.
«Ja, Sir. Ich finde es zwar unangenehm, kann aber damit leben. Dank Narmonow haben wir bereits ein Übereinkommen zur Reduzierung der Mittelstreckenwaffen; nun besteht die Chance, daß auch die strategischen Waffen abgebaut werden.»
Der Präsident stand auf und trat an die Fenster hinter seinem Schreibtisch. Sie waren dick verglast, um ihn vor Attentaten zu schützen. Vor Zwangslagen, wie sie das Amt mit sich brachte, schützten sie nicht. Er schaute hinaus auf den Rasen, fand aber keine Antwort. Schließlich drehte er sich wieder um.
«Arthur, Sie können alles vorbereiten, müssen mir aber versprechen, daß ohne meine Genehmigung nichts unternommen wird. Keine Initiativen, keine Aktionen. Über diesen Fall möchte ich erst nachdenken. Zeit haben wir doch, oder?»
«Jawohl, Sir. Es wird einige Tage dauern, bis alles an Ort und Stelle ist.»
«Dann werde ich Ihnen meinen Entschluß mitteilen.» Der Präsident schüttelte beiden Männern die Hände und schaute ihnen nach, als sie hinausgingen. Er hatte noch fünf Minuten Zeit bis zum nächsten Termin und ging in das an sein Arbeitszimmer angrenzende Bad. Beim Händewaschen fragte er
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