050 - Das Kind der Hexe
waren Sie dann zur Tatzeit?«, bohrte Wilbur Smart weiter. »Etwa doch in der Nähe des Motels?«
Dorian schüttelte den Kopf. »Darauf kommt es doch im Augenblick gar nicht an. Die Polizei bereitet mir überhaupt kein Kopfzerbrechen. Wenn es an der Zeit ist, werde ich meine Unschuld beweisen. Aber im Augenblick geht es um andere Dinge. Ich bin sicher, dass der wahre Mörder im Kreise der Schwarzen Familie zu suchen ist. Und es ist gut möglich, dass er auch dazu bestimmt wurde, mein Kind bei der Geburt zu töten. Deshalb muss ich ihn finden.«
»Die gleichen Überlegungen habe ich auch schon angestellt«, sagte Wilbur Smart. »Die schwarze Magie hat strenge Regeln und Gesetze. Nehmen wir nun an, Olivaro strebt nur ein Ziel an, nämlich die Geburt Ihres Kindes zu einem Sabbat zu gestalten, bei dem es geopfert werden soll. Dann war die Ermordung Ihrer Frau nur ein Teil des Rituals – und es werden noch weitere Menschen sterben müssen.«
»Das ist mir klar. Und wenn wir herausfinden könnten, wo die Handlanger Olivaros stecken, dann könnten wir die Verschwörer unschädlich machen und zumindest weitere unschuldige Opfer retten.«
»Es gibt einige Hinweise. Da ist zum Beispiel die Hexe Margarita Voisin. Sie ist keine Schwarzblütige, sondern eine normale Sterbliche, die im Sog des Teufelwahns groß und mächtig geworden ist. Sie war in letzter Zeit wieder recht aktiv, nachdem sie sich vorher für einige Zeit zurückgezogen hatte. Es ist uns nicht gelungen herauszufinden, welchem Dämon sie dient. Mir erscheint es jedoch recht bedeutungsvoll, dass sie während Olivaros Machtkampf freiwillig im Exil gelebt hat. Das könnte damit zusammenhängen, dass Olivaro keine Zeit gefunden hat, sich ihr zu widmen. Hinter der Voisin steht zudem noch eine große Anhängerschaft von Teufelsanbetern, die ihr hörig sind. Nun ist es um diesen Teufelskult nach einer Reihe von Exzessen abermals still geworden. Die Teufelsjünger, nach außen hin alles biedere Bürger, haben sich aus dem Berufsleben zurückgezogen und sind von der Bildfläche verschwunden.«
»Wohin?«, fragte Dorian.
Der Anführer der Freaks schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Wir kennen ihren Aufenthaltsort nicht genau. Aber Sie selbst haben uns aufgetragen, keiner Spur nachzugehen, die …«
»Sind sie in der Webber-Klinik?«, fragte Dorian alarmiert.
»Es scheint so.«
»Ich habe es geahnt.« Dorian zog mit einer Handbewegung einen Schlussstrich unter diese Angelegenheit. »Vergessen Sie das am besten wieder, Wilbur. Stellen Sie keine weiteren Nachforschungen mehr an. Wir können den Lauf der Dinge nicht mehr ändern.«
»Dann wollen Sie nicht mehr versuchen, die Opferung weiterer Unschuldiger zu verhindern?«
»Die Sache hat sich bereits zu weit entwickelt. Der Kreis um alle Beteiligten hat sich geschlossen. Olivaros Saat ist aufgegangen, und der Tod wird ernten.«
Dorian hörte im Nebenzimmer das Läuten eines Telefons. Kurz darauf stürzte ein Freak durch die Tür und meldete: »Marvin Cohen dreht durch. Er hat Teddy gefangengenommen und droht, ihn an die Dämonen auszuliefern.«
»Marvin?«, fragte Dorian erstaunt.
»Wir haben es Ihnen bisher verschwiegen, Mr. Hunter«, sagte Wilbur Smart schuldbewusst. »Cohen ist schon die ganze Zeit hinter Ihnen her. Auch er hält Sie für den Mörder Ihrer Frau.«
»Ich hätte es mir denken können«, meinte Dorian und machte sich auf den Weg ins Nebenzimmer. »Ich werde mit ihm sprechen.«
In Professor Marlowes Büro brannte nur eine einzelne schwarze Kerze. Sie stand drei Krötenlängen neben dem Telefon, um das die Hexe Voisin Symbole der schwarzen Magie malte. Daneben saß der Zwerg Basil auf der Tischkante und ließ die Beine herunterbaumeln. Sein Kinn machte unablässig mahlende Bewegungen. Seine Augen quollen wie riesige Glaskugeln hervor und drohten, aus den Höhlen zu fallen. Die Hexe Voisin ritzte um die Tischplatte einen Drudenfuß, dessen Schenkel an einigen Stellen unterbrochen war. In der Mitte des unfertigen Drudenfußes stand das Telefon. In die unterbrochenen Linien malte sie magische Zeichen. Dann hob sie den Telefonhörer ab. Der Zwerg sah ihr gebannt zu, als sie den Hörer an ihre Lippen presste und dann gegen die Sprechmuschel hauchte, als wolle sie sie beseelen.
»Magus, fahre in mich!«, rief sie dann. »Magus, gib mir die Kraft! Erhöre deine treue Voisin.«
Sie beugte sich weit zurück, den Hörer hoch über dem Kopf erhoben. Plötzlich erschauerte sie. Ihr Körper zuckte
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