050 - Die Blutsauger
Römer und die Sachsen kamen.«
»Eine romanische Burg ist nicht weit von dieser Straße«, sagte Leroy.
»Ja, ja«, meinte der Doktor lebhaft. »In erstaunlich gutem Zustand. Die Außenmauer ist an manchen Stellen verfallen, – wie es übrigens zu erwarten ist, – aber sonst ist die Burg überraschend gut erhalten.«
»Lebt jemand dort?« fragte Leroy nebenher.
Der Doktor stand auf. »Ich denke, wir können die Burg von diesem Fenster aus sehen«, sagte er und zog die Vorhänge zurück.
»Das ist doch die Burg, von der Sie sprechen, nicht wahr?« fragte er und zeigte aus dem Fenster.
Leroy nickte.
»Niemand lebt dort.«
Der Doktor setzte sich wieder und sah Leroy erwartungsvoll an.
»Dr. Henry Foster, der ein Mitglied meines Klubs ist, war so freundlich, sich gestern meine Geschichte anzuhören. Er ist der Ansicht, daß ich an einem Vampirsyndrom leide.«
»Soso.« Dr. Chalmers’ Lippen zuckten verdächtig.
»Sie gehen nicht konform mit seiner Meinung?«
»Nun, ich kann nichts sagen, bevor ich nicht ein wenig mehr von Ihrer Geschichte gehört habe, Mr. Thompson«, sagte der Doktor. »Es war die Bezeichnung ‚Vampirsyndrom’, die mich amüsiert hat. Das Mindeste, was man von unserem Berufsjargon sagen kann, ist, daß er zuweilen recht verwirrend klingt!«
»Das kann ich nur bestätigen. Aber auch wir Architekten haben da unsere Spezialitäten. Ich wette, Sie finden sich nicht zurecht unter Pfetten, Tresen, Soffitten, Spindeln, Streben und Querhölzern. Und ich glaube, daß jemand, der nicht zur Branche gehört, aus unserem Kauderwelsch nicht klug wird!«
Der Doktor lächelte. »Sie mögen Ihren Beruf, nicht wahr?«
»Ja, sehr.«
»Sie sind immer Architekt gewesen?«
»Seit ich die Universität verlassen habe.«
»Und«, sagte Chalmers langsam, »Sie möchten auch keinen anderen Beruf haben?«
»Nein. Vielleicht als Junge in der Schule … da dachte ich daran, Schauspieler zu werden, aber dazu ist es wohl nie gekommen. Solche Träume gehen meist nicht in Erfüllung.«
»Schauspieler, sagen Sie, Mr. Thompson? Das ist wirklich von größtem Interesse.«
Er zog das Notizheft näher und machte einige Aufzeichnungen.
»Es tut mir leid, wenn wir Ihre Story ein wenig unterbrochen haben, Mr. Thompson. Sie sprachen gerade von der alten Straße …«
»Als ich in der Dunkelheit die Straße entlangfuhr, sah ich ein Mädchen neben der Hecke stehen«, sagte Leroy. »Mir erschienen sofort einige Dinge merkwürdig, ohne daß ich sie sogleich beim Namen nennen hätte können. Ich wußte, daß es in der Gegend eine Irrenanstalt gab, und ich fragte mich, ob sie nicht von dort geflohen war …«
»Was war an ihr so merkwürdig. Mr. Thompson? Versuchen Sie sich zu erinnern, vielleicht ist es Ihnen jetzt möglich, genau zu sagen, was es war.«
»Nun, sie war von geradezu überwältigender Schönheit, die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Sie trug einen Umhang, darunter ein Samtkleid und keine Schuhe.«
»Wie seltsam. Haben Sie sie nur einmal gesehen oder öfter?« fragte der Doktor.
»Mehrmals.«
»Aha.«
Die beiden Männer schwiegen für eine Weile, während der Doktor eifrig Notizen machte.
»Sie haben mit ihr gesprochen?«
»Ich nahm sie in meinem Wagen mit.«
»Und was an ihr fanden Sie noch ungewöhnlich?«
»Nun, damals waren es für mich seltsame und unerklärliche Einzelheiten, die keinerlei Zusammenhang untereinander hatten. Heute weiß ich, daß es die herkömmlichen Anzeichen für Vampirismus sind. Zum Beispiel sprang sie einmal aus dem Auto, kurz bevor ich zu einer Brücke kam, unter der ein kleiner Fluß …«
»Ich kenne den Fluß und auch die Brücke«, warf der Doktor ein.
»Wie jeder weiß, der sich für Vampire und ähnliche okkulte Erscheinungsformen interessiert, können Vampire kein fließendes Wasser überqueren. Und dann biß sie mich, als ich … als ich sie in meinen Armen hielt.«
»Sie biß Sie? Darf ich die Stelle sehen?«
Leroy rückte ein wenig näher zum Schreibtisch des Arztes und drehte den Kopf, so daß Chalmers die Bißwunden sehen konnte.
»Merkwürdig«, sagte Chalmers. Er nahm ein Vergrößerungsglas aus einer Lade und betrachtete die Wunden sehr genau. »Sehr, sehr merkwürdig, Mr. Thompson. Ich möchte die Wunden später noch genauer untersuchen.« Er schrieb einige Bemerkungen in sein Notizheft.
»Sie haben das Mädchen also mehrmals getroffen. Sie konnte fließendes Wasser nicht überqueren und sie hat Sie gebissen. Haben Sie bei ihr
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