050 - Monsterburg Höllenstein
riß etwas mit. Es war ein Arm des Zombies, der
sich aus dem Gelenk mit einem kurzen, trockenen Geräusch gelöst hatte.
●
Anja Garetz schrie
gellend auf und ließ den Körperteil los, der dumpf zu Boden fiel. Sie stolperte
darüber hinweg und wußte nicht mehr, was sie denken und fühlen sollte. Die
junge Frau handelte nur noch wie eine Maschine, kam auf der anderen Seite des
unheimlichen Gewölbes an und sah wenige Schritte entfernt die vier
ausgetretenen Stufen, dahinter die massive Holztür. Dies war die andere Seite
des Kabinetts. Aber es hatte Gott sei Dank einen Ausgang. Anja Garetz taumelte
die Stufen nach oben, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Sie schlug die eiserne
Klinke herunter und warf sich gegen die Tür. Vergebens!
Sie war verschlossen.
Die Frau saß in der Falle, stöhnend drehte sie sich um. Ihr Gesicht war totenbleich
und starr wie eine steinerne Maske. Im Halbdunkeln des Gewölbes sah sie die
furchteinflößenden Figuren. Sie standen unverändert in Reih und Glied. Bis auf
drei, die sich ihr näherten.
Der Zombie, dem der Arm
fehlte, der Werwolf, in den Uwe sich verwandelt hatte, und ein Vampir, der
seine dolchartigen Fangzähne fletschte. Die drei Gestalten standen unten an der
Treppe. Die Flucht war zu Ende, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Anja
Garetz konnte nicht mehr.
»Bringt sie zu mir«,
sagte plötzlich eine herrische Stimme aus dem Hintergrund. Anja Garetz krallte
ihre Fingernägel in das rauhe Gestein, um den Halt nicht zu verlieren. Da war
ein vierter! Er löste sich aus einer Wandnische. Die junge Frau merkte, wie
ihre Kräfte sie verließen. Das alles hier unten war zuviel für sie gewesen, sie
konnte nicht mal mehr schreien. Die Eingeschlossene blickte über die drei
Horror-Gestalten hinweg, und sah aus verschleierten Augen eine kräftige,
hochgewachsene Gestalt. Auch diese, halb Mensch, halb Tier! Der Brustkorb war
von rötlich-gelbem Fell überwachsen. Auf den Schultern prangte ein massiger
Schädel. Ein Löwen-Kopf mit einer gewaltigen Mähne. Keine Maske! Der Kopf – lebte…
Dann verschwamm alles
vor Anja Garetz Augen. Der Boden unter ihr wankte, alles begann sich im Kreis
zu drehen. Die junge Frau taumelte nach vorn, verlor den Halt und stürzte die Treppe
hinunter. Sie schlug schwer auf, rutschte zwei Stufen nach unten und blieb
reglos liegen. Werwolf und Vampir griffen nach ihr. Die Gestalt mit dem
Löwenkopf im Hintergrund öffnete leicht das Maul mit dem Raubtiergebiß. Es sah
aus, als würde das Zwitterwesen höhnisch grinsen…
●
Als der Wecker
klingelte, hätte Jessica den Lärmverursacher am liebsten gepackt und an die
Wand geworfen. Sie war hundemüde und der Gedanke, ins Büro zu gehen, war auch
nicht dazu angetan, Stimmung und Wachsein zu fördern. Montags war’s immer am
schlimmsten. Das Wochenende müßte einfach länger sein… Sie zog die Bettdecke
über die Ohren, die Beine an und legte sich auf die Seite. Jessica Paine hatte
sich einen besonders großen Wecker gekauft mit einem starken Läutewerk, um auf
jeden Fall wach zu werden. Eine Zeitlang hatte sie es mit einem Weckradio
versucht, aber das hatte nie geklappt. Die sanfte Musik hatte sie wieder in den
Schlaf geschaukelt, und sie war einige Male zu spät gekommen. Das konnte sie
sich jetzt nicht mehr leisten. Arbeitsplätze waren knapp, und nur gute Kräfte
hatten überhaupt noch eine Chance, sich zu halten. Da mußte man pünktlich und
zuverlässig sein. Der Wecker rasselte lang, er war bis zum äußersten
aufgezogen. Jessica Paine wurde wach. Sie strampelte die Decke von sich,
streckte sich und tastete nach dem kleinen Radio, das auf dem Nachttisch stand.
Kaum war das nervenaufreibende Rasseln vorüber, erschollen sanftere,
angenehmere Töne aus dem Lautsprecher. Sechs Uhr morgens… Die junge Frau
richtete sich auf. Als Dreiundzwanzigjährige lebte sie allein in Chicago und
arbeitete in einer Anwaltskanzlei, die von mehreren Juristen betrieben wurde.
Jessica fuhr sich durch das dichte, schwarze Haar, das sie offen trug und halb
ihr Gesicht bedeckte. Als die Sechsuhr-Nachrichten begannen, stieg sie aus dem
Bett. Eine kalte Dusche weckte ihre Lebensgeister endgültig, obwohl sie aus der
offenen Badezimmertür einen wehmütigen Blick zum Bett hin nicht unterlassen
konnte. Während in der winzigen Kochnische ihres Apartments die Kaffeemaschine
blubberte, kleidete Jessica sich an. Sie trug weichfließende Stoffe und wußte,
was ihrer Figur schmeichelte. Obwohl sie es haßte,
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