0503 - Der Stierdämon
Stimme, die zu mir sprach. Sie ist… etwas, das ich… vor tausend oder mehr Jahren geschaffen habe!«
Sara fuhr herum. »Du bist verrückt!« stieß sie hervor.
Merlin lächelte. »Ich war nie so normal wie jetzt«, sagte er. Seine Gestalt straffte sich, und verwundert erkannte Sara, daß Merlin stärker und dynamischer geworden war. Fand er endlich wieder zu sich selbst zurück?
Sara sah nach unten. Nur noch ihre Füße schmerzten. Entsprechend verändert war das Schattenbild.
»Du hattest die Schlange in dir. Du hast Ssacahs Ableger nach Caermardhin gebracht. Ich habe also doch richtig gesehen, als ich die Schlange vor meiner Türe bemerkte. Und du hast die Ableger in deiner Unterkunft verborgen, während die Legion der Derwische durch Caermardhin heulte und nach der Schlange suchte, nicht wahr?«
Sara schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht«, sagte sie.
»Aber du warst doch in der Gewalt der Kobra!«
»Dennoch habe ich sie nicht eingeschmuggelt, und während die Derwische heulten, war ich nicht einmal hier! Ich war in Schottland, suchte Zamorra…« Sie wunderte sich, wie leicht ihr das plötzlich von den Lippen kam. »Teri war aber schon dort gewesen. Ich wollte den Llewellyn zu Ssacahs Diener machen; es mißlang. Doch in Schottland ist der Kobra-Kult jetzt auch vertreten. Es ist mein Werk.«
»Du kannst nichts dafür. Du warst selbst in der Gewalt dieser ungeheuerlichen Macht, die den Tod ihres Dämons lange überlebt hat.«
»Ich suche nicht nach einer Entschuldigung, wie du vielleicht meinst«, erwiderte sie scharf. »Was geschehen ist, läßt sich nicht ändern. Ich würde kein Zeitparadoxon dafür riskieren. Ich konnte nicht anders handeln. Mein Tun mag sogar einen positiven Aspekt in sich tragen.«
»Daß du Menschen zu willenlosen Ssacah-Dienern gemacht hast?« stieß Merlin entsetzt hervor.
»Ich hatte Kontakt mit dem Oberhaupt des Kultes. Ich scheine Mansur Panshurab und seinen Kult gerade damit in arge Bedrängnis gebracht zu haben. Ich bin sicher, daß er unter starkem Druck höherer Mächte steht, deren Zorn er sich durch meine Aktivitäten zuzog. Was dem Ssacah-Kult schadet, nützt den Menschen.« Sie warf den Kopf in den Nacken und sah ihren Vater herausfordernd an. Shirona würdigte sie keines Blickes.
Inzwischen war der Schmerz endgültig aus ihr hinausgeflossen. Sie warf jetzt den vom Messingstaub nachgezeichneten Schatten einer menschlichen Frau. Allmählich begannen sich Staub und Schatten aufzulösen.
»Du bist mir fremd«, sagte Merlin. »Deine Maßstäbe sind verschoben. Dieser Vorteil wäre auch anders zu erreichen gewesen. Nicht, indem Menschen der Kobra geopfert wurden…«
Shirona lächelte. »Wie ich schon sagte - Sara Moon wandelte lange auf den dunklen Pfaden. Vielleicht hat sie sogar recht. Verstehst du immer noch nicht, Merlin, daß das dunklere Dunkel heller sein kann als das dunkle Dunkel?«
»Hör mir auf mit diesem Wahnsinns-Satz!« schrie Merlin.
»Sie ist deine Feindin, Vater«, sagte Sara kühl. »So, wie sie mich angriff, wird sie auch dich angreifen. Vielleicht auf andere Weise. Unterliegst du nicht schon seit Tagen ihren unheilvollen Einflüsterungen? Weiche dem Dunkel aus, in das sie dich locken will.«
»Du irrst, Sara Moon«, sagte Shirona. »Ich bin nicht Merlins Feindin. Aber ich bin auch viel mehr als sein Werkzeug. Er hätte es wissen müssen, damals, nicht wahr?«
»Wer bist du?« flüsterte Sara. »Du bist nicht menschlich. Woraus bestehst du?«
Shirona lachte leise. »Vielleicht -aus guten und bösen Taten? Frage Merlin. Vielleicht verrät er es dir.«
Und damit löste sie sich vor den Augen der beiden anderen auf und war verschwunden.
***
Mit jeder verstreichenden Minute wurde Zamorra unruhiger. Er konnte nicht einfach nur abwarten und hoffen, daß der Gnom etwas unternahm. Aber welche Möglichkeiten blieben ihm? Das Telefon in Llewellyn-Castle war zerstört. Er konnte den Wagen nehmen und ins Dorf hinab fahren. Aber das bedeutete, daß Nicole länger auf ihre Rückverwandlung warten mußte. Er konnte aber auch…
...das Permit benutzen und Merlin oder Sara Moon, wenn sie sich wieder aus ihrem abgeschotteten Quartier begab, um Hilfe bitten. Bedächtig nickte Zamorra. Er hatte mit Teri darüber gesprochen, daß Merlin Beschäftigung brauchte, Ablenkung von seinen trüben Gedanken. Was konnte ihn besser ablenken als Zamorras dringende Bitte?
Allerdings konnte er das Permit danach nur noch sechsmal verwenden… war es nicht eine
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