0503 - Der Stierdämon
Seine naße Kleidung klebte ihm am Körper. Der Vorgarten, in dem er sich wiedergefunden hatte, sah ein wenig verwüstet aus. Bei Cristoferos »Erwachen« waren eine Haustür und ein Fensterladen zugeschlagen worden, und aus den Augenwinkeln glaubte Cristofero den Schatten eines weiteren Mannes gesehen zu haben, der sich eilig entfernte. Während er noch darüber grübelte, woher er wohl den Namen Conn ap Llewellyn kannte, folgte der andere Mann lautlos dem Ruf Shironas.
Als sie sich in den Schatten befanden, tat Shirona das, was sie schon bei Sara Moon gemacht hatte. Sie riß die Schlange aus Roy Thurso und ließ sie zu Staub zerpulvern. Ein verwirrter Schotte stand sprachlos in der Nacht und sah der schlanken, rotgekleideten Frau nach, die ohne ein Wort zu sagen, weiterging und sich einfach nicht mehr um ihn kümmerte. Er wollte ihr nach, sie ansprechen. Aber es gelang ihm nicht. Ihm war, als befände er sich unter einem Bannzauber, der ihm wohl gestattete, nach Hause zu gehen, nicht aber der Fremden zu folgen.
Shirona zischte wie eine Kobra.
Wo immer sie an einem Haus vorbeischritt, in dem Ssacah sich bereits eingenistet hatte, versetzte sie sich kurz ins Innere und befaßte sich mit Ssacah-Ablegern und infizierten Bewohnern. Die meisten traf sie schlafend an; die Ssacah-Diener bekamen gar nicht mit, daß Shirona auftauchte und was sie tat. Vielleicht würden sich einige von ihnen nach dem Erwachen über Messingstaub in den Zimmern wundern, wenn sich der bis dahin nicht schon aufgelöst hatte…
***
Zamorra parkte den Rolls-Royce wieder ein und stieg aus. »Ich hoffe, daß es auf ein paar Zentimeter nicht ankommt«, sagte er. »Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau an die Stelle, an der der Wagen stand.«
»Das wird sich zeigen«, sagte der Gnom und schnappte wieder nach dem Amulett. »Warte«, sagte Zamorra. »Mußt du es wirklich einsetzen?«
»Natürlich!« beharrte der Gnom. »Ich habe es beim ersten Zauber verwendet, also muß es auch jetzt wieder verwendet werden.«
Zamorra dachte an Shirona und Merlins Warnung.
Keine Aufregung, teilte das Amulett sich ihm mit. Diesmal wird die andere Macht nicht störend eingreifen und mehr aus dem Zauber des kleinen Großen machen, als dieser beabsichtigt.
Zamorra schluckte. »Die andere Macht?« rätselte er. »Du meinst -Shirona? Du hattest Kontakt mit ihr?«
Wie immer du sie zu nennen beliebst. Durch ihre störende Einmischung entstand aus dem bloßen Gedanken der Zauber des Stiers. Ich konnte nur verhindern, daß er zum Mörder wurde. Die andere Macht spielt gerne. Sie ist unreif. Halte sie von mir fern, nur das ist wichtig. Jetzt aber ist sie beschäftigt.
»Womit?«
Aber das Amulett antwortete nicht mehr.
»Du faselst, Freund Zamorra. Laß mich endlich beginnen«, forderte der Gnom. »Ah - da ist noch etwas. Die Eisenplatte. Wenn aus Gold wieder zurückverwandelt wird, besteht die Gefahr, daß der Schurke noch einmal schießt. Die Waffe ist noch auf deine Mätresse gerichtet, mein Freund. Du solltest dich in die Droschke begeben und die Eisenplatte so halten, daß die Kugel abgelenkt wird; vielleicht gibt’s dann einen schmackhaften Hasenbraten. Mir Verlaub, du solltest dann auch die Gelegenheit nutzen, dem Ruchlosen eine solche Maulschwelle zukommen zu lassen, daß er fortan vom Morden abläßt.«
Zamorra runzelte die Stirn. »Das heißt, ich sitze in dem Wagen, während alles zurückverwandelt wird? Und was passiert dabei mit mir?«
»Gewiß gar nichts«, versicherte der Gnom. Und wenn - mit etwas Schwund muß man immer rechnen, wie Asmodis so schön zu sagen pflegt, spottete das Amulett. Zamorra fand dies wenig tröstlich.
Er beschloß, dem Gnom zu vertrauen. Wenn die Rückverwandlung schiefging - war es eben Pech. Aber ohne Nicole zu leben war für ihn sowieso nicht erstrebenswert. Also ergab er sich in sein Schicksal und in die zauberischen Hände des Gnoms.
***
Mansur Panshurab erschrak, als die unbekannte blonde Frau vor ihm erschien. Er begann diese »Überraschungsbesuche« zu hassen. Aber wenigstens hatte er es diesmal nicht mit der Fürstin der Finsternis zu tun.
»Merlins Tochter hat dich verraten, Schlangendiener«, sagte die Blonde. »Sie befindet sich nicht mehr unter Ssacahs Kontrolle, und sie denkt auch gar nicht daran, die Ssacah-Kolonie in Schottland aufzulösen. Du hast ein Problem, Mansur Panshurab. Denkst du nicht, daß Stygia dir mit Vergnügen den Hals umdrehen wird - über eine Dauer von tausend qualvollen
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