0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
die sie heiraten wollten, töten lassen. Ein Henker schlug den vier jungen Männern die Köpfe ab und hat sie anschließend der Madeline Brent überlassen, die als Vorbild die Salome ansah.«
»Was ist dann passiert?« wollte ich wissen.
»Das weiß ich nicht. Darüber schweigt sich die Chronik aus.« Er lachte unecht. »Da müßten Sie Madeline schon selbst fragen, was ja kaum möglich sein wird.«
»Sagen Sie das nicht.«
»Sie glauben das Märchen also.«
»Solange Sie mir das Gegenteil nicht beweisen, Sir, müssen wir es glauben.«
»Ich nicht.«
»Können wir mit Ihrer Frau sprechen, Sir?«
Der Industrielle schaute mich an. »Ich weiß nicht. Wie gesagt, sie fühlte sich nicht wohl. Wenn Sie bei Ihr erscheinen, wird…«
»Nur einer von uns.«
Auf diesen Kompromißvorschlag ging Sir Lucius ein. »Wenn Sie das so sehen, habe ich nichts dagegen.«
»Dann willst du gehen?« fragte Bill.
»Würde ich gern.«
Auch Suko war einverstanden. Sir Lucius und ich erhoben uns.
»Ich bringe Sie ins Haus und zeige Ihnen auch das Zimmer meiner Frau.«
»Danke.«
Als ich das herrschaftliche Gebäude betreten hatte, hielt ich zunächst einmal den Atem an. Diese Pracht war einmalig. Man hatte an nichts gespart. Als Fremder wußte man kaum, wo man hinschauen sollte. Es gab einfach zuviel zu sehen. Man entdeckte immer etwas Neues und vergaß das alte schnell wieder.
Eine breite Treppe war durch ein rotes Seil abgesperrt worden. Sir Lucius löste es und führte mich in die erste Etage.
»Möchten Sie, daß ich bei der Unterhaltung zugegen bin?«
»Nicht unbedingt, Sir.«
Wir hatten mittlerweile die erste Etage erreicht und schritten durch einen breiten Gang, der an den Wänden die gemalten Porträts der Ahnen zeigte.
Vor dem Bild einer jungen Frau mit dunklen Haaren und einem tatsächlich engelhaft wirkenden Gesicht blieben wir stehen. »Das ist Madeline Brent.« erklärte der Industrielle.
Ich kannte die Untote nur aus Beschreibungen und mußte zugeben, daß es sich bei ihr tatsächlich um eine außergewöhnlich schöne Frau handelte. Aber nach dem Äußeren durfte man bei einem Menschen nie gehen. Wenn Madeline den Namen Bestie getragen hatte, sicherlich nicht zu unrecht.
»Was sagen Sie, Mr. Sinclair?«
»Ich bin beeindruckt.«
»Das ist jeder, der sich das Bild anschaut. Ich halte meine Frau nicht für eine Lügnerin, verstehen Sie mich recht, doch ich glaube, daß sich auf dieses Fest eine Doppelgängerin der Madeline Brent eingeschlichen hat. Von dieser Meinung lasse ich mich so leicht nicht abbringen.«
»Das ist Ihre Sache.«
»Und Sie denken tatsächlich anders?«
»Ja, Sir. Es ist die reine Erfahrungssache.«
»Wie Sie meinen.« Er hob die Schultern. »Ich bringe Sie jetzt zu meiner Frau.«
Wir mußten den Gang wieder zurückgehen. Sir Lucius klopfte, er ging anschließend allein hinein, während ich auf dem leeren Gang wartete. Leise Musikklänge wehten an meine Ohren.
Unten im Garten spielten die vier Musiker eines Kammerorchesters zum Tee auf. Es war alles sehr stilvoll und auch normal.
Sir Lucius kehrte zurück. »Sie können hineingehen, meine Frau fühlt sich wieder wohler.«
Eleonore Brent erwartete mich, in einem Sessel sitzend. Sie war eine sehr vornehme und attraktive Person. Ihr Lächeln wirkte trotzdem ungezwungen und warmherzig.
»Mr. Sinclair, mein Mann sagte mir bereits, wer Sie sind. Ich freue mich, daß Sie mit mir über meine Erlebnisse reden wollen. Nehmen Sie doch bitte Platz.«
»Danke.« Ich setzte mich ihr gegenüber, und sie fing sofort an zu erzählen.
Im Nachhinein regte sich die Frau innerlich auf. Ihre Hände befanden sich in permanenter Bewegung. Sie drückte die Finger zusammen, und manchmal wurden aus den Händen auch Fäuste.
Später stellte ich die Fragen. »Sie sind also fest davon überzeugt, daß es Madeline Brent gewesen ist?«
»Ja!«
»Können Sie mir irgendeinen Beweis nennen, der Ihre Behauptung unterstützt?«
»Das ist schwer.« Sie hob die Schultern. Dann leuchteten ihre Augen auf. »Ja, Mr. Sinclair, es gibt etwas. Als die Person dicht neben mir stand, nahm ich auch ihren Geruch wahr, den sie mit Parfüm nicht hatte übertünchen können. Ich meine ihren eigentlichen Geruch, wenn Sie verstehen.«
»Noch nicht – leider.«
»Ich möchte offen mit Ihnen reden.« Sie beugte sich vor. »Diese Person roch eigentlich muffig. So feucht, so kalt und gleichzeitig auch widerlich.«
»Wie – entschuldigen Sie den Ausdruck – verwest?«
Sie
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