051 - Die Sklaven des Vampirs
entriss die Hausmauern, die verriegelten Fensterläden und die verschlossenen Türen der Dunkelheit. Die Maschine heulte auf. Durand hob eine Hand und knatterte davon.
Der Scheinwerferstrahl hatte gezeigt, dass wenigstens rund um den Gasthof keine Gefahren mehr lauerten. Dorian schüttelte sich, überquerte schnell die Straße und öffnete die knarrende Tür des Gasthofes. In der Halle war niemand. Dorian blickte kurz in die Ecke neben dem Kamin. Dort saßen noch Cooper und Wilson, der Wirt in der weißen Schürze, von Schallfeldt und Pascal am Tisch. Sie sprachen leise miteinander. Auf der anderen Seite war die Wirtsstube noch von ein paar Dorfbewohnern besetzt, zwischen denen Irene saß. Susan war hoffentlich auf ihrem Zimmer geblieben.
Dorian schlich leise die Treppe hinauf, fand sein Zimmer unversperrt und trat ein. Die nächste Überraschung erwartete ihn.
Das Fenster war geschlossen. Es war warm im Raum. Aus einem Taschenradio kam leise Musik. Nur noch die Stehlampe auf dem Nachttisch verbreitete mildes Licht. In einem der beiden Sessel lag Susan Dale ausgestreckt. Sie hatte die langen Beine auf das Bett gelegt. Ein Weinkrug und zwei gefüllte Gläser standen auf dem niedrigen Tisch.
Nicht sehr überrascht blieb Dorian in der Tür stehen. Er sah die junge Frau an, die in einen langen modischen Morgenmantel gekleidet war.
»Es ist ein Uhr vorbei. Sie sollten längst schlafen und etwas Nettes träumen«, sagte er und zog sich das triefend nasse Jackett aus. Er hängte es sorgfältig auf einen Bügel und diesen über die Rippen des Heizkörpers.
»Ich habe über alle merkwürdigen Augenblicke an diesem Abend nachgedacht. Über Ihr seltsames Benehmen und Ihre Bemerkungen. Sie wären sicher nicht zu mir gekommen, um mir alles zu erklären?«
Der Dämonenkiller zog ein Handtuch aus einem Fach und trocknete sich das Haar und das Gesicht ab. »Sie haben Recht. Ich hätte es wohl nicht getan.«
»Also bin ich zu Ihnen gekommen. Sie sind nass und frieren – also waren Sie dort draußen. Über das Dach und auf die Straße. Sie scheinen aufregende nächtliche Beschäftigungen zu haben.«
Susan war der klassische Unsicherheitsfaktor, dachte Dorian. Sie war nicht Claude Durand, den er mit halben Wahrheiten abspeisen konnte. Wie viel konnte er ihr sagen, ohne dass sie glaubte, auch er wäre ein Verrückter?
»Ich bin aus dem Fenster gesprungen«, erklärte er und zündete sich eine Zigarette an, »weil der betrunkene Junge in Gefahr war.«
Dorian zog seine Schuhe aus, setzte sich in den zweiten Sessel und griff nach dem Weinglas. Seine Finger und Zehen waren eiskalt. Die Haut des Gesichts begann zu prickeln. Dorian warf einen sehnsüchtigen Blick nach dem Bett.
»Und warum haben Sie mir sozusagen befohlen, in meinem Zimmer zu bleiben und es zu verriegeln?«
»Ich hielt es für sicherer. Wir befinden uns nicht in einem Londoner Apartmenthaus, sondern in einer der finstersten Gegenden Europas. Weit und breit kein Mensch, der Sie hätte schützen können.«
Sie lachte kurz auf und deutete zu Boden. »Dort unten sitzen jetzt noch ungefähr zehn Personen. Sie alle hätten mich beschützt. Und natürlich nicht zu vergessen Sie.«
Dorian trank einen großen Schluck Wein. Es war der Tischwein, der unten ausgeschenkt wurde.
Susan starrte ihn an und fragte: »Halten Sie mich für sehr dumm, Mr. Reed oder wie immer Sie heißen mögen?«
Dorian blickte sie durch den Rauchschleier hindurch an und antwortete leise: »Ich heiße Reed. Und ich weiß nicht recht, was ich Ihnen sagen soll.«
»Fangen Sie ruhig von vorn an!« meinte sie trocken. »Ich stelle schon die richtigen Fragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Was soll das Ganze? Wie sehen die Gefahren aus? Welche Gefahren?«
»Was wissen Sie über Dämonen?«, fragte er ruhig und hob das Weinglas.
»Nicht viel. Nur das, was man als Normalbürger darüber weiß. Scheusale, Ungeheuer der Fantasie, schauerliche Geschichten und Ähnliches.«
Das war die Antwort, die Dorian erwartet hatte.
»Ich arbeite in einer Agentur, die Berichte über angebliche Dämonie sammelt und untersucht. Es ist mehr als nur das Gerede von Fantasten. Die Dämonen machen die Menschen von Leidenschaften abhängig und von ihren Ideen. Sie haben ja selbst erlebt, wie ausschließlich sich unsere vier Weinkenner mit diesem Wein beschäftigten. Der Junge, der dort draußen eben überfallen wurde, ist auch diesem Wein von Lacroix verfallen. Er ist süchtig. Ich habe ihm geholfen. Sie konnten hören,
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