051 - In den Katakomben des Wahnsinns
stieß die Tür vollends auf. Mit aufmerksamen Augen starrte sie in den
finsteren, sehr langen Korridor, sah die Umrisse eines wuchtigen, alten
Schrankes und eines mannshohen Keramikkerzenständers unmittelbar neben dem
Treppenaufgang, der nach oben führte.
Die Schwedin ging vorsichtig. Sie achtete auf jeden Winkel, auf jeden
Schatten und ließ die Tür weit offen stehen. Keine drei Schritte von ihr
entfernt befand sich eine zweite Wohnungstür. Morna Ulbrandson hielt den
Knüppel schlagbereit und drückte die Klinke herab. Sie sah in der Düsternis die
Umrisse eines Zimmers mit einem breiten Bett, einem Schrank und einem
Nachtschränkchen. Unter dem verhangenen Fenster stand ein altmodischer Tisch,
dem ein Bein fehlte. Davor ein klappriger und verschlissener Polsterstuhl.
Der Raum war geräumig, so dass Morna ihn nicht auf einmal überblicken
konnte. Sie ging zwei Schritte hinein, nachdem sie sich vergewissert hatte,
dass unmöglich jemand hinter der Tür stehen konnte.
Sie wollte nichts unbesehen lassen. Einmal auf eine Fährte angesetzt, war
sie es gewohnt, einer Sache bis auf den Grund zu gehen. Schließlich weilte sie
nicht zu ihrem Vergnügen in Schottland.
Es ging alles blitzschnell. Wie mit einem Pistolenknall schlug die Tür
hinter ihr zu, noch ehe sie begriff, wie es eigentlich dazu kommen konnte.
Morna riss und zerrte vergeblich an der Klinke. Die schwere Holztür saß wie
angegossen.
Dem ersten Schreck folgte logisches Überlegen.
Es war stockfinster in dem Raum, ein Lichtschalter offensichtlich nicht
vorhanden. Die Agentin hatte weder Streichhölzer noch ein Feuerzeug dabei.
Sie tastete sich von der Tür ab an der Wand entlang. Schließlich waren
Fenster in diesem Zimmer. Sie brauchte nur die Fensterläden aufzustoßen und ...
Sie wanderte rundum. Tastete sich um das Bett, erreichte den Schrank, ging
von hier aus die Wand entlang und kam wieder an der Tür an. Dann begriff sie
das Ungeheuerliche.
Die Fenster – waren zugemauert !
Da fühlte sie, wie eiskalte Angst ihren Nacken emporkroch ...
●
Er war gerade dabei, ein frisches Hemd anzuziehen und
sich zum Ausgehen fertig zu machen, als das Telefon rasselte.
Stuart White nahm ab. Am anderen Ende der Strippe meldete sich eine
charmante weibliche Stimme.
»Erinnern Sie sich noch an Ihre Einladung?«, klang es an sein Ohr.
»Hallo, Sexhäschen!« White vergaß, sein Hemd zuzuknöpfen. »Mein Gedächtnis
funktioniert ausgezeichnet. Ich hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet,
dass du dich noch melden würdest.«
»Bis sieben Uhr hatte ich die Genehmigung, mich noch zu melden. Wenn Sie
einen Blick auf Ihre Uhr werfen würden, Mister White ...«, entgegnete sie
selbstsicher.
»Fünf Minuten vor ... genehmigt!«
»Ich konnte nicht früher Bescheid geben, da es ziemlich unsicher war, ob
ich überhaupt hier abkommen konnte. Dr. Fond hat spät abends noch Patienten und
da wird es auch oft für mich sehr spät. Doch für heute hat er alle Termine kurzfristig
abgesagt. Ich bin also frei, um mit Ihnen Jackies Hausboot zu besuchen.
Hoffentlich haben Sie mir nicht zu viel versprochen.«
»Auf White ist Verlass – vielleicht kennen Sie diesen Werbeslogan? Nicht?
Nun, macht auch nichts. Ich hole Sie in spätestens zwanzig Minuten in der
Praxis ab ...«
»Nein, das ist nicht nötig«, entgegnete Helen Carter sofort. »Ich möchte
nicht, dass Dr. Fond – der sich im Augenblick noch im Haus aufhält – bemerkt,
dass ich mich mit Ihnen verabredet habe. – Kennen Sie die Haltestelle am
Central Restaurant?«
»Okay.«
»Ich bin gegen halb acht dort.«
»Einverstanden. Von dort aus fahre ich dann mit dir zur Bucht, Darling.«
»Ich glaube, Mister White, Sie geben sich einen Anstrich, den Sie gar nicht
haben. Sie sind ein so netter Bursche – warum geben Sie sich so lässig? Glauben
Sie, damit besonderen Eindruck bei Frauen schinden zu können?«
»Oh, das hat mir noch keine gesagt, Mäuschen. Ich bin erstaunt. Haben Sie
noch mehr solcher Überraschungen auf Lager?«
»Der Abend wird es Ihnen beweisen, Casanova ...« Mit diesen Worten, ohne
noch etwas hinzuzufügen, legte sie einfach auf. White pfiff leise durch die
Zähne. Soviel Temperament hatte er der Blondine gar nicht zugetraut.
Er lebte streng nach einem Prinzip: Wenn
du ein Vergnügen mit dem Geschäftlichen verbinden kannst, dann tue das! Dieser
Abend war nicht nur dem Vergnügen gewidmet, er hoffte ernsthaft, über die
hübsche Assistentin von Dr. Fond etwas über die
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