0510 - Der Leichenzug
geheimnisvolle Kräfte lenken.
Noch einmal griff der Blutsauger zu.
Marek rammte den rechten Arm vor.
In der Hand hielt er seinen Pfahl. Und das alte Eichenholz traf.
Der Blutsauger stieß ein Geräusch aus, wie es der Pfähler in letzter Zeit selten vernommen hatte. Eine Mischung zwischen Blubbern und Röcheln. Er dachte nicht mehr daran, das Opfer zu sich zu holen. Dicht hinter der Tür blieb er noch schwankend auf beiden Füßen stehen, bevor er nach vorn und genau auf Marek zukippte.
Frantisek glaubte auch, Sukos Schreie zu hören, dann prallte der Körper des sterbenden Vampirs schon gegen ihn. Die Kräfte des Rumänen waren nicht mehr die eines jungen Mannes. Marek konnte sich nicht mehr halten. Seine linke Hand rutschte von der oberen Türkante ab. Die Geschwindigkeit tat ihr übriges, und Marek fiel zusammen mit der leblosen Vampirhülle vom Trittbrett des Leichenzugs.
Vom Schotterbett des Gleises war nichts mehr zu sehen. Das Gras war so hoch gewachsen, daß es einen dichten Teppich bildete, der Mareks Aufprall stark dämpfte. So verstauchte oder brach er sich wenigstens nichts.
Trotzdem rollte er sich einige Male um die eigene Achse, bevor er wieder hochkam, knien blieb und den Eichenpflock umklammert hielt, als hinge davon sein Leben ab.
Suko torkelte herbei. Der Schlag mit der Stange hatte bei ihm eine Platzwunde hinterlassen, aus der ein dünner Blutstreifen rann, für die Vampire wo etwas wie ein Köder.
»Und?« fragte der Inspektor keuchend, als er neben Marek stehenblieb.
»Der ist hin.«
»Und der Zug weg.«
Marek kam hoch und bog den Rücken durch. »Ich habe nichts abbekommen«, erklärte er. Er spie aus. »Scheiße«, sagte er und starrte auf die Reste des Blutsaugers, die nur mehr blasse Asche waren und von Mareks Füßen durcheinander gewirbelt wurde. »Was jetzt?«
»Hinterher.«
»Du bist gut. Kannst du so schnell laufen?«
»Nein, aber fahren!«
»Klar, der Wagen!« Marek schlug gegen seine Stirn. »Bin ich ein Idiot.« Er lief diesmal als erster. Suko hatte Mühe, Schritt zu halten, der Hieb hatte ihn härter getroffen, als er zugeben wollte. Erst am Fiat sah der Pfähler, was mit seinem Freund geschehen war.
»Kannst du überhaupt fahren?«
»Zur Not schon.«
»Dann mache ich es.« Frantisek Marek warf sich hinter das Lenkrad. Er bekam von Suko den Schlüssel. Glücklicherweise machte der Motor des Fiat keine Schwierigkeiten. Er war noch warm genug, um sofort anzuspringen. Marek war zwar ein Autofahrer, aber kein guter. Er würgte den Motor zweimal ab, machte mit dem Auto Bocksprünge, als wäre das Fahrzeug eine Ziege, und kam zunächst recht mühsam vom Fleck.
Das legte sich sehr schnell. Da kannte der alte Pfähler auch keine Rücksicht. Er scheuchte den Wagen durch das Gelände, als wäre der Fiat ein alter Ackergaul.
Suko, der noch unter der Attacke zu leiden hatte, trafen die kurzen, harten Schläge voll. Jeder Stoß kam bei ihm durch. Darauf durften sie keine Rücksicht nehmen. Hier ging es einzig und allein um den schnellen Erfolg.
Der Nebel war leider noch dichter geworden. Als wäre er kübelweise von den Hängen der Berge ausgeleert worden, trieben die grauweißen Schwaden in das Tal.
Von einer Sicht konnte kaum noch gesprochen werden. Wenn die es schaffen, ohne den Wagen frontal gegen ein Hindernis gesetzt zu haben, konnten sie froh sein.
»Dieser Vampir war doch nicht allein – oder?« erkundigte sich der Inspektor.
»Auf keinen Fall.«
»Auf wie viele Helfer kann er noch zählen?«
»Weiß ich nicht«, erwiderte Marek. »Es ging alles viel zu schnell. Ich kam nicht dazu, die Gesichter zu zählen. Außerdem wollte ich da nur raus, du verstehst?«
»Klar.«
Marek konzentrierte sich auf die Fahrerei. Suko mehr auf seinen Kopf, wo noch immer das Blut aus der Wunde rann. Die Stange hatte ihn hart erwischt. Mit einem Taschentuch reinigte Suko sein Gesicht.
»Das war kein Spaß, nicht wahr?«
»Bestimmt nicht.«
»Der Vampir, der mir an den Kragen wollte, war nicht bewaffnet.«
»Vampire sind selbst eine Waffe.«
Marek nickte. »Da hast du recht. Aber wenn sie zusätzlich noch anfangen, sich zu bewaffnen, wird es gefährlich.« Er schlug mit einer Hand auf den Lenkradring. »Verdammt noch mal, wo bleibt denn dieser verfluchte Zug?«
Er war in der Tat noch nicht zu sehen. Sehr schnell konnte er nicht fahren, wenigstens kaum schneller als sie. Ein normaler Autofahrer hätte, wenn er Marek am Steuer gesehen hätte, die Hände über dem Kopf
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