0510 - Der Leichenzug
Knochenarme schlugen zu. Sie droschen seitlich gegen die Gestalt des Monstrums und schleuderten es herum.
Der Vampir fiel rücklings auf einen der Särge, der seinem Gewicht nicht standhalten konnte und krachend zerbrach, als wäre eine Haselnuß von zwei Zangen geknackt worden.
Die anderen schauten zu. Sie taten nichts, um ihren Artgenossen zu unterstützen, der sich aus den Sargtrümmern herausdrehte und schwerfällig aufstand.
Er stierte ins Leere. Sein Maul stand offen. Die Vampirzähne blinkten wie Perlmuttspitzen.
Kesko verließ mich wieder. Er schnappte sich den nächstbesten Blutsauger und schüttelte ihn durch.
Der Vampir begann zu fauchen. Dabei fiel sein Kopf in den Nacken. Aus dem weit geöffneten Maul drangen die Geräusche der für mich nicht sichtbaren Höhlendecke entgegen.
Als Kesko ihn losließ, kippte er nicht mehr. Er schwankte zwar, doch er hielt sich auf den Beinen, und das bleiche Vampir-Skelett war hoch zufrieden, was es durch ein Nicken andeutete.
Acht Särge hatten auf dem Wagen gestanden. Einer war von Marek aus dem Fenster gezogen worden.
Blieben sieben.
Sieben mit Vampirstaub gefüllte Särge, die ihre Pflicht getan hatten. Durch mein Blut waren sie wieder zu den furchtbaren Bestien geworden, die sie einmal gewesen waren, und sie besaßen bereits die Kraft und Stärke, um auf die Reise geschickt werden zu können.
Kesko trieb sie zusammen, wie ein Schäfer seine Herde. Er scheuchte sie, und sie gehorchten ihm.
Jeder von ihnen geriet noch einmal in den Schein der Leuchten.
Ihre Gesichter waren zum Fürchten. Fratzen, wie sie sich ein Maler kaum schauriger ausdenken konnte. Die Haare reichten bis zur Schulter. Einer von ihnen besaß eine Wunde im Gesicht, die vernarbt war und wie ein Fanal auf der Wange leuchtete.
Dieser Vampir ging als letzter und beendete die Reihe. Kesko blieb vor ihnen stehen. Er kam mir vor wie ein Spieß, der seinen Soldaten letzte Anweisungen geben wollte.
Im Gesicht des Skeletts rührte sich nichts. Die Stimme drang aus seinem Maul wie ein Totengruß der Hölle. Er redete mit ihnen, ich aber verstand kein Wort von dem, was er sagte. Es war mehr ein Fauchen, ein Gurgeln, doch die Blutsauger verstanden ihn. Sie hatten seinen Befehl mitbekommen und führten ihn auch aus, als er sich abdrehte und mit seinem Knochenfinger auf die Lok und den Wagen wies.
Brav wie gelehrige Schüler setzten sie sich in Bewegung. Hintereinander bestiegen sie den Wagen. Durch meine waagerechte Lage konnte ich alles sehr gut erkennen.
Auch Kesko schaute zu. Der Skelett-Vampir befand sich am Ziel seiner Wünsche, daran gab es nichts zu rütteln. Mit keiner Regung zeigte er an, daß er dieses Ziel erreicht hatte.
Die Blutsauger verteilten sich in dem alten Waggon. Ich kannte ihn ja. Als Sitzplätze dienten ihnen Holzbänke, wie würden also genügend Platz finden.
Der glatzköpfige Blutsauger streckte seinen Schädel wie zum letzten Gruß noch einmal durch ein offenes Fenster. Das Gesicht mit der dünnen, bleichen Haut verzog sich, als er grinste.
Noch stand der Zug. Ich war gespannt, wie und wann er anfahren würde. Außerdem war er nicht gedreht worden. Die Lok mußte den Waggon jetzt schieben.
Wie groß waren die magischen Kräfte, des Vampir-Skeletts, das jetzt in das Führerhaus der Zugmaschine stieg? Es gab Dämonen, die konnten tote Materie steuern und bewegen. Ich hatte schon Autos fahren sehen, ohne daß jemand hinter dem Lenkrad gesessen hätte. Nur durch dämonische Kraft geleitet.
So war es auch hier.
Durch die Maschine ging ein Ruck. Genau in dem Augenblick, als es im Führerhaus kurz aufglühte. Ein Schütteln packte die Lok ebenfalls. Es sah so aus, als wollte sie nicht fahren. Dieser Zustand aber dauerte nicht mal zwei Sekunden an.
Die Räder drehten sich auf den Schienen. Erste Funkenbahnen zogen sprühend ihre Halbkreise, dann war der Schub groß genug, um den Wagen in Bewegung zu setzen.
Sehr langsam wurde er vorgedrückt. Die Räder hatten gegriffen.
So leicht würde der Zug nicht mehr zu stoppen sein. Und wenn, dann wieder nur auf magische Art und Weise.
Blieb das Skelett im Fahrerhaus?
Nein, es wollte sein Versprechen wahrmachen, bewegte sich auf den Ausstieg zu und sprang ab. Als es aufprallte, sah es für einen Augenblick so aus, als würde es zusammenbrechen oder zusammenklappen, doch es hielt sich. Kesko wollte sein Versprechen, mich zu töten, unbedingt in die Tat umsetzen.
Das Skelett hatte sich wieder gefangen und stemmte sich hoch.
Dann
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