0510 - Der Leichenzug
Mädchen. Manuela zitterte vor Angst und hörte auch nicht auf, als Suko sie streichelte. Die Gefahr war vorbei. Ein Vampir weniger.
Suko lief zum Fenster. »Marek?« rief er fragend.
Der Inspektor bekam keine Antwort…
***
Frantisek Marek hatte natürlich gesehen, wie elegant und schnell sein Partner in den Baum stieg. Das hätte er mit seinen alten Knochen nicht mehr geschafft.
Wo sich ein Vampir aufhielt, konnten sich auch ein zweiter und ein dritter herumtreiben.
Marek war auf der Hut. Er hatte seinen Eichenpflock gezogen, hielt ihn in der rechten Hand und schaute sich um.
Nicht sorgfältig genug.
Vielleicht hätte er ihn bei normalem Wetter auch gerochen, so aber wurde er überrascht.
Der Schlag erwischte ihn an der rechten Wange. Marek konnte sich nicht mehr halten, er wurde in die Gegenrichtung geschleudert, fiel nicht zu Boden, ein anderer Arm fing ihn federnd auf und legte sich gleichzeitig wie eine Schlange um seine Kehle.
Der Treffer hatte Marek total verwirrt. In seinem Schädel zuckten die Stiche auf und nieder, verteilten sich, er vernahm dicht neben dem linken Ohr ein wildes Keuchen, das sich schon triumphartig anhörte, denn der Blutsauger war nicht mehr bereit, den Pfähler aus den Klauen zu lassen.
Marek wehrte sich. Noch hielt er seinen Pflock fest. Er riß den rechten Arm hoch, um ihn über die Schulter und wenn möglich in das Gesicht des Blutsaugers zu stoßen.
Da war noch der zweite.
Er tauchte wie ein finsterer Todesbote aus dem dichten Nebel auf.
In der Hocke hatte er gelauert, und mit einem blitzschnellen Griff umklammerte er das rechte Handgelenk des Pfählers. Ebenso rasch drehte er es herum. Marek konnte nicht anders. Er mußte den Pflock fallen lassen, wenn er sich nicht den Arm brechen wollte.
Seine Waffe fiel zu Boden, wurde weggetreten, und jetzt hatten die Blutsauger freie Bahn.
Zu zweit zerrten sie Marek weg, genau in die Lücke zwischen zwei Bäumen, zu einem Platz, der ebenfalls von Nebelschwaden umwallt und bedeckt wurde.
Es gibt Situationen, die sind für einen Menschen deprimierend.
Für Marek besonders, denn in diesen langen, fast endlosen Augenblicken brach für ihn eine Welt zusammen. Er, der die Blutsauger bis in die letzte Haarspitze haßte, war ausgerechnet von diesen Geschöpfen gefangengenommen worden.
Man hatte ihn seiner Waffe beraubt. Der harte Arm des Vampirs preßte sich um seinen Hals, nahm Marek die Luft und auch die Stimme weg. Der zweite Blutsauger hielt den Arm des Pfählers fest, so daß Frantisek auch nicht mehr schlagen konnte.
Sie drückten ihn zu Boden. Für einen Augenblick lockerte sich auch der Schlingengriff um seine Kehle. Zu einem Schrei kam er trotzdem nicht. Nur ein erstickt klingendes Gurgeln drang über seine Lippen, das erstickte, als ein kalter Handballen auf seine Lippen gepreßt wurde.
Von Mareks Gesicht war nur mehr die obere Hälfte zu sehen mit den weit geöffneten Augen, in deren Pupillen die Angst vor dem grausamen Schicksal lag.
Der zweite Vampir stand noch. Er beugte seinen Oberkörper jetzt nach unten, das Gesicht geriet dabei immer näher in Mareks Blickfeld, und der Pfähler sah die blanken Zahndolche aus dem Oberkiefer ragen, die ihre Wunden in den Hals schlagen sollten.
Der Vampir kniete neben Frantisek. Noch immer preßte er den Handballen auf die Lippen des Pfählers. Die freie Hand suchte das graue, lange Haar des Rumänen, klammerte sich darin fest und drehte den Kopf so nach links, daß sich die Haut an der rechten Seite spannte wie straff gezogenes Papier.
Aus dem ebenfalls offenstehenden Maul tropfte eine blasse Flüssigkeit auf Mareks Brust.
Der noch stehende Vampir sollte zuerst beißen. Er kam noch tiefer, kniete sich dann und fixierte dabei die straffe Haut an der rechten Seite des Halses.
Jetzt würde er beißen!
Im gleichen Augenblick zuckte er kurz hoch, erstarrte, riß weit das Maul auf und stieß seine gespreizten Finger in die plötzlich weich gewordene Haut seines Gesichts.
Dabei drehte er sich noch so, daß Marek sein Körperprofil sehen konnte.
Aus dem Rücken ragte eine Waffe.
Der Pflock des Pfählers!
***
Ich hatte ihn hineingestoßen!
Es war mehr als ein Zufall gewesen, daß ich diese Stelle gefunden hatte. Ein gütiges Schicksal, geführt von der Hand des Allmächtigen, mußte mich gelenkt haben.
Zudem waren die Geräusche auch durch den Nebel gedrungen. In Petrila selbst kannte ich mich zwar aus, leider nur im Hellen. In der Dunkelheit war ich einfach losgelaufen, bis zu
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