0519 - Schatten des Grauens
daß sie unseren Anruf gar nicht entgegennehmen konnte! Er besitzt Salems Dhyarra-Kristall, und damit wäre ein solcher Eingriff in die Technik durchaus möglich.«
»Dann wähnt er sich jetzt ungestört. Vielleicht ist er bei ihr«, sagte Nicole. »Ich regele das mit der Diebstahlsmeldung. Kümmere du dich um das Haus.«
»Und um Eysenbeiß«, murmelte Zamorra. »Allmählich geht der Kerl mir auf den Keks!«
Mit langen Schritten stapfte er los, während Nicole sich in Richtung der Telefonzelle in einer Seitenstraße wandte.
***
Es ging sehr schnell. Francine Belo war alles andere als begriffsstutzig. Das einzige, was sie daran hinderte, sich mit ihrer seltsamen Fähigkeit anzufreunden, war ihre Scheu davor. Aber Eysenbeiß-Salem wirkte so vorsichtig auf sie ein, so daß sie nicht einmal merkte, wie er sie manipulierte. Rasch wurde sie mit der Steuerung des Schattens vertraut. Bald war es an der Zeit, den letzten Schritt zu tun.
In ihrem entrückten Zustand, während sie den Schatten lenkte und ihn Kunststückchen vollbringen ließ wie ein Zirkustier - wie Eysenbeiß es für sich spöttisch nannte -, konnte er sie überraschend unter Hypnose setzen. Er verankerte den Befehl in ihr, grundsätzlich nur noch in seinem Sinn tätig zu werden - sie konnte zwar weiterhin frei entscheiden und handeln, solange ihre Entscheidungen sich nicht gegen Eysenbeiß richteten, aber wenn er etwas von ihr wollte, würde sie alles andere liegen und stehen lassen und ihm gehorchen, seine Befehle unverzüglich auszuführen. Ganz gleich, ob sie dabei ihren Schatten einsetzen mußte oder nicht.
Jetzt mußte es nur noch eine Möglichkeit geben, ständig miteinander in Verbindung treten zu können, auch wenn sie räumlich voneinander getrennt waren und keine Möglichkeit einer telefonischen Befehlsübermittlung bestand. Eysenbeiß war nicht sicher, ob es ausreichte, seinen Schatten eine schriftliche Nachricht hinterlegen zu lassen. Das war nicht dasselbe wie ein direkter Befehl.
Vielleicht gab es eine Möglichkeit, die beiden Schatten miteinander »reden« zu lassen.
Aber gerade, als Eysenbeiß mit dem Gedanken spielte, die beiden Schatten sich wieder berühren zu lassen, diesmal vorsichtiger als beim ersten Versuch, schlug die Türklingel wieder an.
Eysenbeiß wußte, daß es keinen Sinn hatte, Belos Anwesenheit zu verleugnen; es brannte immer noch Licht, das von der Straße her zu sehen war. Auch konnte er sich nicht vorstellen, daß Zamorra sich bereits wieder an der Haustür befand. Er weckte Francine also aus ihrer Trance. Verwirrt sah sie ihn an. Wieder schlug die Türklingel an. »Wer kann das sein?« fragte Eysenbeiß-Salem.
»Ich weiß nicht… vielleicht die beiden Typen, die vorhin schon einmal hier waren… ich will nichts mit ihnen zu tun haben!«
Also doch Zamorra? Ist dieser Jagdhund denn überhaupt nicht abzuschütteln? dachte Eysenbeiß mit aufflammendem Zorn, den er aber vor Francine sorgfältig verbarg. »Ich werde sie abwimmeln«, sagte er. »Vielleicht solltest du zuschauen, wie ich es mache. Konzentriere dich wieder auf deinen Schatten. Er soll meinen beobachten.«
Und Eysenbeiß sandte seinen eigenen Schatten zur Haustür.
***
Zamorra rechnete nicht ernsthaft damit, daß Belo ihm diesmal öffnete. Er fragte sich, was er noch tun konnte, wenn die Frau einfach keinen Kontakt aufnehmen wollte. Wenn es nicht gegen sein Prinzip gewesen wäre, einen unerledigten Fall auf sich beruhen zu lassen, hätte er sich jetzt vielleicht abgewandt, ein Taxi bestellt und sich mit Nicole zurück zum Château Montagne bringen lassen. Aber er steckte nun einmal in dieser Sache drin, hatte außerdem dem Chefinspektor versprochen, sich darum zu kümmern - und Eysenbeiß war in der Nähe!
Diesmal warnte das Amulett nicht.
Als er zum fünften Mal auf die Klingel drückte, glitt ein Schatten unter der Tür durch. Augenblicke später ein zweiter. Noch ehe Zamorra begriff, wie ihm geschah, griff einer der beiden Schatten ihn an, schlug die finsteren Hände um seinen Hals und drückte mit erbarmungsloser Kraft zu. Das Amulett versuchte das grün flirrende Schutzfeld gegen fremde, Schwarze Magie aufzubauen, aber irgendwie vertrug es sich nicht mit dem Schatten. Etwas explodierte in und um Zamorra und verursachte einen Weltuntergang.
Dann war da nichts mehr…
***
»Nein!« schrie Francine entsetzt auf. »Was tun Sie? Sie können ihn doch nicht einfach umbringen!« Im gleichen Moment, in dem sie sich aus ihrer Konzentration riß und
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