0522 - Der Zombie-Macher
sie dafür. Um so furchtbarer mußte auf Shado die Entweihung eines solchen Platzes durch einen Fremden wirken.
»Verdiene ich diese Ehre?« fragte Zamorra anstelle der Antwort, die er Shado eigentlich hatte geben wollen.
»Ich weiß es nicht«, sagte der Aborigine. »Ich kann es nur hoffen. Aber ich weiß auch«, er deutete auf das Fenster und das von der Decke hängende Telefon, »daß nichts mehr so sein kann, wie es einmal war. Vielleicht liegt es an mir und an dir, Weißbursche, einen Anfang zu machen. Vielleicht…« Er verstummte wieder.
Zamorra wartete ab, drängte ihn nicht. Schließlich gab sich Shado einen Ruck, und als er sprach, hatte Zamorra das Gefühl, daß der Aborigine gar nicht aussprechen wollte, was er sagte: »Vielleicht, Weißbursche, bist du selbst ein Wesen der Traumzeit -einer anderen Traumzeit als der, die unsere bisherige Welt schuf.«
Er ließ sich wieder zu Boden sinken.
»Vielleicht ist es das, Zamorra. Zehntausende von Jahren hat mein Volk leben dürfen. Dann kamt ihr Weißburschen, und nun lebt ihr hier. Wir werden immer weniger. Vielleicht ist unsere Zeit vorbei, vielleicht leben die Yolngu noch tausend Jahre oder zehntausend. Die Zeit des weißen Volkes kommt. Schon träumen wir nicht mehr unsere Träume, sondern eure -ich den der Anpassung und Karriere, viele andere meines Volkes den des Alkohols, weil es ein sehr leichter Weg ist. Ich weiß nicht, Zamorra, ob du die Ehre verdienst. Aber wenn du bereit bist, zu akzeptieren, was geschieht, bin ich bereit, dich zu führen.«
***
Der Concierge wies ihr die Richtung. Nicole trat auf den dunkelhaarigen, eigentlich ganz sympathisch wirkenden Mann zu, der es sich zwischen Zimmerpalmen und Zeitungsständern in einem der Ledersessel bequem gemacht hatte. Als Nicole ihn fast erreicht hatte, erhob er sich und streckte die Hand aus. »Ich bin Mel Duncan.«
»Ich wüßte nicht, woher wir uns kennen«, sagte Nicole reserviert. »Sie wollten dringend mit Professor Zamorra sprechen. Mein Name ist Duval; ich bin seine Assistentin. Warum haben Sie sich nicht dem Telefon anvertraut?«
»Weil…«, Duncan deutete auf die Rezeption, »dort mitgehört wird.«
»Telefone gibt es nicht nur in diesem Haus«, erwiderte Nicole und ließ sich Duncan gegenüber in einen freien Sessel sinken, »sondern auch anderswo in Sidney, vielleicht sogar in Ihrer Wohnung.«
Duncan zuckte zusammen. »Ich habe keine eigene Wohnung mehr«, sagte er leise.
Nicole hob die Brauen. »Die Feuerkatastrophe? Tut mir leid.«
»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun. Brände hat es hier immer gegeben. Dieser war etwas größer als normal.«
Nicole beschloß, zur Sache zurückzukommen. »Weshalb wollten Sie nun unbedingt mit dem Professor reden?«
Etwas an Duncan stimmte nicht, das fühlte sie deutlich. Aber was war es? Hatte Teri mit ihrem unguten Gefühl recht? Oder hatte Nicole sich davon nur grundlos infizieren lassen?
Übergangslos aktivierte sie ihre telepathischen Fähigkeiten. Sie wandte sie selten an, weil es ihr widerstrebte, in den geheimsten Gedanken anderer Menschen herumzuwühlen. Aber in manchen Fällen erschien es notwendig, um eine Bedrohung rechtzeitig zu erkennen, und Nicole hatte inzwischen auch gelernt, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden. Sie konnte die Privatsphäre Duncans abblocken und sich nur auf den Gegenstand ihres Wissensdurstes konzentrieren.
Im gleichen Moment, als sie den Kontakt eröffnete, zuckte Duncan heftig zusammen. Er preßte beide Hände gegen die Schläfen. »Nein…«, hörte Nicole ihn flüstern. »Nein, nicht…«
Nicole brach den Kontakt sofort ab. Offenbar hatte Duncan ihren Tastversuch gespürt. Aber wie war das möglich? Er war selbst kein Telepath. Denn dann hätte er auf ganz andere Weise reagiert. Warum also verspürte er genau jetzt Schmerzen oder Unwohlsein? Nicole wünschte, Teri wäre an ihrer Stelle hier. Die Silbermond-Druidin mit ihren starken Para-Fähigkeiten hätte Duncan viel besser ausloten können, als es Nicole möglich war.
»Was haben Sie, Duncan?« fragte sie. »Was ist los mit Ihnen?«
Er beruhigte sich wieder - vermutlich, weil Nicole den Kontakt abgebrochen hatte. Sofort machte sie die Probe aufs Exempel, und wieder sah sie ihn zusammenzucken. Es hatte also keinen Sinn, ihn telepathisch auszuforschen. Der Schmerz überlagerte alles Denken, alle Informationen. War das ein Schutzmechanismus? Wenn, dann gefiel er Nicole nicht, die wie Zamorra und die anderen Mitglieder der
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