0523 - Julies schöne Zombie-Schwester
gerechnet.« Ich hob die Schultern. »Wir können es drehen und wenden, Freunde. Julie ist uns entrissen worden.«
»Und werden sie nie mehr wiedersehen«, erklärte Will.
Ich schaute ihn nachdenklich an. »Nein, mein Lieber, daran glaube ich nicht.«
»Hast du einen Grund?«
»Ja.« Ich deutete nach unten. »Diese Brücke hier und das, was auf ihr geschehen ist, sehe ich als Grund an. Was in der Vergangenheit geschehen ist, wird auch für die Zukunft oder unsere Gegenwart jetzt Bedeutung haben. Ich rechne damit, Julie und ihre Schwester noch einmal zu sehen. Und zwar hier im Ort.«
»Wann?« fragte Suko.
»Bin ich Hellseher?«
»Das wäre schön.«
»Ich muß John recht geben«, erklärte Will. »Wenn ich mir den Fall durch den Kopf gehen lasse, kann das Erscheinen der Tätowierten nicht allein den Grund gehabt haben, Julie zu finden. Bestimmt wird diese Person noch einiges in die Wege leiten.«
»Zum Beispiel?« fragte ich.
»Rache?«
Ich wartete mit meiner Antwort. »Ja, das ist möglich. Okay, dann warten wir also.«
Auf der Brücke hatten wir nichts mehr verloren. Der Appetit allerdings war uns vergangen.
Als wir am Marktplatz eintrafen, herrschte dort Aufregung.
Einige Bewohner standen beisammen und diskutierten. Da sie Dialekt sprachen, verstand ich sie nicht so gut. Dafür bekam Will spitze Ohren und hielt uns zurück.
»Was ist denn?«
»Das ist interessant«, sagte er. »Die beiden Mädchen müssen gesehen worden sein, und zwar auf der Brücke. Ein Autofahrer hat sie entdeckt. Sie sind dann wie ein Spuk verschwunden, als hätten sie sich aufgelöst. So hat er berichtet.«
»Wie ein Spuk«, wiederholte ich leise und schüttelte den Kopf.
»Dann hat Janine es geschafft und ihre Schwester in eine andere Welt geholt. Verdammt auch…«
***
Natürlich hatten wir das Dorf nicht verlassen. Wir waren noch einmal in das Lokal zurückgekehrt und hatten unsere Rechnung beglichen. Ich war davon überzeugt, daß wir Spuren der Schwestern finden würden. Fragte sich nur, wann, wie und wo.
Das Warten kann nicht nur lang, auch zu einer regelrechten Qual werden, wie wir merkten.
Die Zeit dehnte sich. Sie wollte einfach nicht vorbeigehen. Obwohl es in diesem kleinen Ort für uns Abwechslung genug gab, sahen wir jede Minute als eine Qual an.
Wir hatten den Ort durchstreift. Will Mallmann hatte auch einen Bekannten getroffen, einen älteren Mann namens Emil Schneider, der ihm die Bilder entwickelt hatte. Auch Schneider konnte uns nicht mehr helfen. Suko und ich trennten uns von Will und trieben uns nahe der Brücke herum. Wir durchkämmten deren unmittelbare Umgebung, suchten dort nach Spuren, fanden in hinterlistigen Verstekken alles mögliche an Abfall, nur von Julie und Janine entdeckten wir keine Spur.
Es war wie verhext!
Vor Nervosität fing ich an zu qualmen, obwohl ich das Rauchen sehr stark eingeschränkt hatte. Die Zeit verging trotzdem, und auch die Lichtverhältnisse änderten sich.
Die Dämmerung schob sich als klotzige Wand über den Himmel.
Schatten entstanden und nahmen an Länge zu. Sie tasteten sich wie Finger in den Ort. Die Temperaturen fielen etwas. Von den Höhen der Weinberge fiel der Wind in das Tal und strich auch über den Fluß.
Die Autos fuhren mit Licht. Auch in den Häusern wurden die Lampen angezündet.
Einige Lokale bekamen Besuch von ihren Stammgästen. Suko und ich, die wir wieder zurück in das Dorf gegangen waren, fanden unseren Freund Will Mallmann in dem Lokal sitzend, wo wir hatten essen wollen. Der Kommissar drehte ein Glas Mineralwasser zwischen seinen Händen.
»Nichts gefunden, wie?«
»So ist es.«
Die Wirtsleute, die fünf an der Theke stehende Männer bedienten, bekamen lange Hälse. »Haben Sie das Mädchen gefunden?« riefen sie fragend zu uns hinüber.
»Nein, leider nicht.«
Wir bekamen keine Antwort mehr. Den Blicken der beiden war zu entnehmen, daß sie Julie nicht viele Chance einräumten. Als ich mir ein Glas Saft bei ihnen abholte, schlug der Wirt vor, es mit der Polizei zu versuchen, damit die Beamten das Gelände durchkämmten.
»Morgen vielleicht«, sagte ich, um ihn zu beruhigen, was er wiederum nicht begriff.
»Ich wäre dafür«, schlug Will vor, »daß wir nicht hier warten. Die Umgebung der Brücke ist besser.«
Suko stimmte zu, ich hatte ebenfalls nichts dagegen. Für Will Mallmann war die Brücke ein magisches Kraftfeld, eine Zone, in der alles seinen Anfang nahm.
Wir verabschiedeten uns und gingen durch den dunkel gewordenen
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