0525 - Tödliche Fotos
getrübt. Ich spürte die Hitzewelle in mir hochsteigen und dachte daran, daß ich dieses milchige Zeug wohl besser nicht getrunken hätte.
Auch meine Glieder waren schwer geworden. Wenn dieser Mann mich jetzt angriff, war ich kaum in der Lage, ihm Widerstand entgegenzusetzen.
»Ich werde sie dir zeigen«, sagte er. »Du darfst sie dir anschauen. Sie ist einmalig.« Lautlos bewegte er sich um den Schreibtisch herum. Er schlich mit gleitenden Bewegungen auf meinen Platz zu und blieb dicht vor mir stehen.
Die Kamera gab er nicht aus der Hand. Er hielt sie so, daß ich auf das Gehäuse schauen konnte.
Es war nichts Unnormales zu erkennen. Sie stammte von einer bekannten Japanischen Firma, diesen Markennamen las ich an der linken Gehäuseseite. Die kleinen Buchstaben verschwammen bei längerem Hinsehen vor meinen Augen.
Ich hob den Kopf etwas höher und visierte das Objektiv an. Für mich war es ein großes Auge. Auch hier erkannte ich nichts Unnormales, das Objektiv schimmerte in der Mitte ein wenig bläulich.
Sah so eine Kamera des Teufels aus?
Ich räusperte mich, der Sand in der Kehle blieb. Hinter dem Fotoapparat verzog sich das Gesicht des Al Beli zu einem breiten, zynischen Grinsen.
»Wer sie besitzt, der hat die Macht, Sinclair. Der kann mit ihr Dinge tun, von denen andere nur träumen. Ich schieße damit auch normale Fotos, aber wenn ich sie richtig einsetze, werden es Bilder von Ereignissen, die erst noch geschehen. Bilder aus der Zukunft.«
»Wie bei Judy Landers«, flüsterte ich.
»Richtig.«
»Hast… hast du sie getötet?«
»Ja. Ich nahm einen Speer. Er dient mir sonst als Dekoration. Ich mußte die Zukunft ja wahr werden lassen. Das klappte eben nur, wenn ich selbst eingriff.«
»Du bist ein Mörder!«
»Das ist mir egal, Sinclair. Jeder kann und soll über mich denken, was er will. Das stört mich überhaupt nicht. Ich habe dir noch nicht alles gesagt. Diese Kamera kann noch mehr. Wen sie einmal fotografiert hat, den läßt sie niemals los, denn sie gerät automatisch in den Besitz der Seele des Fotografierten. Sie sammelt die Seelen wie andere Menschen Aufkleber und Stickers. Diese Kamera hortet sie, sie lebt durch die Seelen der Menschen. Sie sind gewissermaßen ihre Batterie, verstehst du das?«
»Ja – nur werden die Seelen keine Ruhe finden, wie mir scheint. So ist es doch mit Judy. Sie quält sich. Sie möchte Ruhe finden, aber sie kann es nicht. Ihre Seele will endlich eingehen in den großen Kreislauf, sie will glücklich sein…«
Al Beli lachte. »Sie gehört mir, Sinclair hast du das vergessen? Mir allein!«
»Ich weiß, doch weshalb gibst du sie nicht frei?«
»Das kann ich nicht, das werde ich auch nicht. Solange diese Kamera existiert, bleiben die Seelen gefangen. Sie sind ihr Motor. Nur durch sie kann ich weitermachen. Auch dich habe ich fotografiert.«
»Ja, ich weiß.«
»Du hast mich nur nicht gesehen.« Er lachte leise und gleichzeitig kichernd. »Es war wichtig für mich, daß ich dich fotografierte. Ich wollte deine Ausstrahlung auf den Film bannen und auf das Bild, das ich dir zuschickte.«
»Du hast es schnell entwickelt.«
»Das erledigt die Kamera. Sie speit die Fotos für mich aus, obwohl sie keine Ähnlichkeit mit einer der üblichen Sofortbild-Kameras hat. Aber was erzähle ich dir das alles? Du hast dein Bild gesehen und weißt, was dir bevorsteht.« Er beugte sich tiefer. »Kannst du dich noch daran erinnern, Sinclair?«
Etwas schwerfällig nickte ich ihm zu. »Ich lag auf dem Boden. Mein Kopf war umgeben von der Blutlache.«
»Stimmt genau. Ich habe mir diesen Tod für dich ausgedacht.«
»Und meine Seele wird in deiner Kamera gefangen sein – oder?«
»Natürlich. Oder glaubst du, daß ich bei dir eine Ausnahme machen werde?«
»Nein, nein, bestimmt nicht.«
»Na bitte.«
»Wann soll ich sterben?«
Er trat zurück, setzte sich auf die rote Lackplatte und ließ die Beine baumeln. »Das weiß ich noch nicht. Vielleicht in einer Minute, vielleicht in zwei Stunden. Das wird sich alles noch ergeben, Sinclair. Du befindest dich in meiner Hand.«
Das stimmte. Hätte ich doch nicht dieses verfluchte Teufelszeug getrunken. Da hat man schon soviel erlebt und läßt sich dennoch reinlegen. Es war zum Heulen. Auch Suko hatte davon getrunken, er… Meine Gedanken stockten. Verdammt, Suko, was war mit ihm?
Er war gegangen und noch nicht zurück.
Mir wurde es heiß und kalt. Das war viel stärker als der kleine Schüttelfrost vorhin.
»Ist dir nicht
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