0526 - Der unheimliche Templer
bin ich mir sicher. Wenn Sie sich für Geschichte interessieren, habe ich Ihnen einiges zu erzählen. Normalerweise mache ich das nur bei offiziellen Führungen, die es auch gibt. Ich zeige Ihnen bei Gelegenheit das Schloß. Es gibt da einige Ecken und Winkel, auf die ich nicht so stolz bin, weil sie noch restauriert werden müssen. Ansonsten ist es schon in Ordnung. A votre sante – auf Ihre Gesundheit, auf Ihren Besuch und auf einen abwechslungsreichen Abend.«
Jeder hatte sich ein Glas genommen. Sie hoben die kristallenen Kunstwerke an. Das Glas besaß einen hervorragenden Schliff, in dem sich die Flammen des Feuers widerspiegelten und wie kleine Sonnen aufblitzten.
Die Besucher warteten zunächst, bis ihr Gastgeber einen Schluck zu sich genommen hatte, dann tranken auch sie, hörten van Akkeren schlürfen, denn er war ein Mensch, der es genoß, den Wein zu kosten. Als sie die Gläser senkten und auf ihn schauten, huschte seine Zungenspitze über die Lippen und nahm letzte Tropfen auf. Er leckte die ab, als wären sie kleine Blutperlen.
»Ein Genuß«, flüsterte er. »Dieser Wein ist das Blut der Traube, wie sie nur an der Loire wächst. Ich liebe ihn. Was sagen Sie dazu? Lieben Sie den Wein auch?«
»Ja«, bestätigte Marcel. »Ich allerdings stehe mehr auf die Gewächse meiner Heimat.«
»Sie kommen aus…«
»Dem Elsaß, Monsieur.«
Van Akkeren lachte. »Ja, dort wachsen ebenfalls ausgezeichnete Weine. Kompliment.« Er hob sein Glas zum zweiten Mal. »Trinken wir auf Sie. Ich trinke auf Sie, meinem sehr netten Besuch.« Er nickte den beiden Frauen zu und lächelte wissend.
Sie konnten nicht anders, wenn sie den Gastgeber nicht beleidigen wollten.
Man leerte die Gläser, was van Akkeren dazu animierte, sie noch einmal zur Hälfte zu füllen. Dann war die Flasche leer. Simone wollte protestieren, weil sie das erste Glas schon spürte. Der Alkohol war ihr zu Kopf gestiegen. Wohl fühlte sie sich nicht. Hinzu kam die Wärme des Feuers. Van Akkeren drückte ihr das Glas in die Hand.
»Trinken Sie auf die Schönheit der Frauen«, sagte er. »Die sind wie Dämonen – unberechenbar. Das ist es, was ich an ihnen so liebe. Noch einmal. Auf die Frauen…«
Der Wein war schwer. Er durchschäumte sie förmlich, und auch das zweite Glas spürte Simone. Arlette lachte plötzlich etwas lauter als gewöhnlich. Sie hatte ebenfalls etwas von der Wirkung mitbekommen.
Van Akkeren redete über allgemeine Dinge. Simone und Arlette gelang es kaum, zuzuhören. Sie wurden erst wieder aufmerksam, als van Akkeren davon sprach, Ihnen die Zimmer zu zeigen.
»Sie liegen in der oberen Etage, genau dort, wo sie im Gang auch meine Ahnengalerie bewundern können. Dort finden Sie auch ein Bild des Ariol Le Duc. Ich schlage vor, daß Sie sich frisch machen und anschließend zum Essen kommen.«
»Das ist eine gute Idee«, bestätigte Marcel.
»Finde ich auch.«
»Können wir die Ahnen auch sehen. Ich meine da diesen Ariol Le Duc!«
Van Akkeren starrte Marcel an. »Aber sicher«, erwiderte er. »Sie werden ihn zu sehen bekommen, und es wird für Sie etwas ganz besonderes werden, das kann ich Ihnen versprechen…«
***
Die Reise war glatt verlaufen, wir hatten uns einen Leihwagen besorgen können und bewegten uns mit dem Renault in Richtung Süden auf St. Etienne zu.
Die Stadt ließen wir hinter uns, blieben der Richtung treu, und schon bald fuhren wir durch die herrliche Landschaft rechts und links der Loire.
Wo das Schloß des Ariol Le Duc genau lag, war uns unbekannt.
Suko und ich hatten uns vorgenommen, nach Cerbac zu fahren, weil man dort auch diesen Frederic Wally kennen mußte. Über ihn wollten wir mehr in Erfahrung bringen, und in Cerbac würde man uns sicherlich auch den Weg zum Schloß zeigen.
Für winterliche Verhältnisse war die Straße ausgezeichnet befahrbar. Es schneite nicht, es fiel auch kein Regen, nur die Einsamkeit der Wälder und Weinhänge umgab uns.
Im Sommer war es anders. Da stauten sich die Touristen, der Winter brachte die große Leere.
Auf der Karte mußte man schon lange suchen, um den Ort Cerbac zu finden. Er war mehr als winzig und lag auch abseits der normalen Landstraße.
Geschneit hatte es auch. Weiße Flecken lagen aber nur noch auf den Bergspitzen, nicht mehr an den Hängen oder zwischen den Rebstöcken.
»Wie wär’s mit einer Pause?« fragte Suko.
»Und wo?«
»Ich wollte eigentlich noch etwas essen.«
»Das schaffen wir bis Cerbac.«
»Bist du sicher?«
»Klar.«
»Dann
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