0526 - Der unheimliche Templer
flüsterte Arlette ihm zu. Sie deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger in die Höhe.
Wächter nickte.
Auch van Akkeren hatte bemerkt, was zwischen den beiden vorging. Er pausierte ebenfalls.
»Was war das?« fragte ihn Marcel Wächter.
Van Akkeren lächelte dünn. »Dort oben, ich weiß. Ich habe es auch gehört.«
»Simone?«
»Es kann sein, liebe Arlette. Wir warten ja noch auf sie. Wir…« Er unterbrach sich selbst, weil er aus dem oberen Stockwerk einen dumpfen Laut vernommen hatte, als wäre dort jemand hingefallen.
Marcel sprang so heftig hoch, daß er gegen den Tisch stieß und das Geschirr zum Klirren brachte. »Ich muß nachschauen ich muß…«
»Bleiben Sie sitzen!« fuhr van Akkeren ihn an. »Sie wird schon kommen, die kleine Simone.«
Er hatte den Satz kaum ausgesprochen, als sie tatsächlich die ersten Schritte vom oberen Ende der Treppe vernahmen. Aber was waren das für Schritte!
Nicht leicht, schnell, wie es sich eigentlich für eine Person wie Simone gehört hätte, nein sie dröhnten schwer in die Tiefe. Und jeder Schritt wurde von einem noch anderen Geräusch begleitet. Ein dumpf klingendes Tack Tack, als würde jemand etwas Schweres hinter sich herziehen.
Vincent van Akkeren saß gespannt und auch lauernd auf seinem hochlehnigen Stuhl. Er schaute über die Länge des Tisches hinweg gegen das flackernde Feuer im Kamin.
Anders Marcel. Er saß so, daß er gegen die Geländerpfosten der Treppe schauen konnte und versuchte, mit seinem starren Blick die Lücken zu durchdringen. Marcel hatte das Gefühl, vor einem schrecklichen Ereignis zu stehen.
Arlette mußte sich drehen, um etwas erkennen zu können. Das tat sie auch sehr langsam, konnte jedoch, ebenso wie Marcel, noch nichts erkennen.
Dann erschien die Gestalt. Nicht Simone. Es war ein Mann, von dem Marcel den Kopf sah. Stufe für Stufe schritt er hinunter, und Marcel verfolgte ihn mit starren Augen.
Das durfte nicht wahr sein, sein Herz hämmerte plötzlich schneller. Er erinnerte sich an ein Gemälde, das er oben auf dem Gang an der Wand hatte hängen sehen.
Dieses Bild dort hatte den gleichen Mann gezeigt, der jetzt die Stufen hinunterging.
Marcel Wächter sprang wieder auf, während Arlette sitzenblieb.
»Wer ist das?« raunte er van Akkeren heiser zu.
»Ariol Le Duc…« Der Grusel-Star hatte den Namen langsam ausgesprochen.
»Der wahre Besitzer von Château…«
»Genau der.«
»Aber der ist doch seit langem tot.«
Van Akkeren lachte schaurig auf. Im gleichen Augenblick begann Arlette zu schreien.
Sie hatte die Gestalt jetzt ganz gesehen, weil sie nun vor der Treppe stand.
Allerdings nicht allein.
Plötzlich wußte Arlette, was diese dumpfen Geräusche zu bedeuten gehabt hatten.
Es war Ariol Le Duc gewesen, der eine Leiche hinter sich hergezogen hatte.
Simone Dufour!
***
Ich wußte nicht, weshalb der Mann geschrieen hatte, als er uns sah.
Er taumelte aus dem feinen Schneevorhang, blieb dann stehen und streckte abwehrend die Arme aus. Seine gefütterte Jacke war über und über mit feinen Körnern bedeckt, zudem sah er aus wie jemand, der einen weiten Weg hinter sich hatte.
Ich ging auf ihn zu.
»Rühren Sie mich nicht an!« rief er.
»Keine Sorge, Monsieur, wir sind vielleicht in der gleichen Lage wie Sie.«
Er holte tief Luft und ließ seine Arme nach unten sinken. »Wie kommen Sie darauf?«
Ich deutete quer über die Straße, wo ich eine kleine Bar gesehen hatte. Mehr ein Bistro, eine gemütliche Gastwirtschaft, aber in Frankreich heißt fast alles Bar.
Der Unbekannte folgte mit seinem mißtrauischen Blick dem ausgestreckten Zeigefinger. »Sie sind nicht von hier?« fragte er.
»Nein.«
»Wo sind dann die Menschen? Haben sie sich in den Häusern verkrochen, weil es schneit?«
»Bestimmt nicht, Monsieur. Sie sind geflohen.«
Er hob die Hand und strich über sein Kinn. »Geflohen?« hauchte er. »Vor wem geflohen?«
»Wir wissen es nicht.«
»Wo kommen Sie denn her?« fragte Suko.
Er gab keine direkte Antwort. »Ich möchte in die Bar. Ich… ich brauche etwas zu trinken.« Er ging vor und schritt gebeugt daher wie ein alter Mann.
»Verstehst du das?« fragte Suko.
»Nein, aber er wird uns aufklären können.«
»Mal sehen.«
Die Bar war nicht geschlossen. Der Mann mit der Halbglatze stieß die Tür auf. Wir mußten den Kopf einziehen, als wir den kleinen, menschenleeren Gastraum betraten.
»Da!« Der Schrei des anderen durchdrang den Schankraum. »Da ist es wieder, verdammt!«
Er meinte
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