0527 - Der Grausame
mit den normalen Bewohnern von Alet-les-Bains nicht viel zu tun.
Man war den Menschen freundschaftlich verbunden, biederte sich aber nicht an und wurde auch von ihnen akzeptiert.
Nach wie vor aber begegneten die Bewohner von Alet-les-Bains den Templern mit einer gewissen Scheu. Für sie stand fest, daß es Männer waren, die ein großes Geheimnis hüteten, über das sie nicht sprechen wollten.
Der Abbé vernahm das Geräusch eines anfahrenden Wagens. Er wußte, daß es Jasper und Arno waren, die kamen, um ihn abzuholen. Dicht neben ihm hielten die Templer an.
Jasper saß am Steuer des Peugeot-Kombi. Er blieb sitzen, während Arno die Beifahrertür öffnete und danach auch die Fondtür aufzog, damit der Abbé einsteigen konnte.
Bloch kannte das Ritual. Er zeigte keine Spur von Unsicherheit, als er sich in den Fond des bequemen Wagens setzte.
»Ihr wißt, wohin die Fahrt geht?«
»Ja, Abbé.«
»Dann bitte.«
Sie fuhren los. Die Bewohner von Alet-les-Bains gehörten zu den Menschen, die sich sehr früh zur Ruhe begaben. Sie mußten ihr Geld in schwerer Tagesarbeit verdienen, da verlangte die Natur einfach ihr Recht, daß man sich früh niederlegte.
So rollte der Wagen auch durch stille Straßen und noch schmalere Gassen.
Das Licht der Scheinwerfer schuf einen bleichen Teppich. Er kroch über den Boden, streifte Hauswände oder glitt über die Fensterscheiben hinweg, wo manch Neugieriger stand und zurückzuckte, wenn das Licht das Glas streifte.
Viele Menschen beobachteten die Fahrt des Wagens und erkannten an der Richtung, wohin die drei Templer fuhren.
Sehr bald lagen die Häuser der Ortschaft hinter den Templern.
Sie waren nicht nur in der Talmulde gebaut worden, sondern standen auch an den Hängen. An besonders steilen Stellen klebten sie wie Vogelnester.
Auch der Weg führte steil und in Windungen in die Höhe, um das weite Plateau zu erreichen, das erst überquert werden mußte, bevor sie in die Felsregion gerieten, in der die Kathedrale der Angst lag.
Jasper kannte den Weg genau. Er fuhr ihn nicht zum erstenmal hoch. Daher wußte er genau, welche Kurven er langsamer nehmen mußte.
Nach einigen Minuten Fahrzeit lag Alet-les-Bains unter ihnen.
Wenn sie zurückschauten, sahen sie die einsamen Lichter des Ortes wie Sterne blinken.
Ansonsten wölbte sich über ihnen ein dunkler, wolkenreicher Nachthimmel, an dem keine Gestirne zu sehen waren.
Auf dem Felsplateau existierte kein Weg mehr. Die vier Reifen rollten jetzt über das normale, steinige Gelände und wurden arg strapaziert. Der Boden war nie glatt. Auf ihm lagen kleine Steine verteilt, als hätte sie jemand dort verstreut. Es wuchs kein Baum, kein Busch, nur dürres Gras oder fußhohes Unkraut im Sommer, das bei starker Sonneneinstrahlung regelrecht verbrannte.
Der Abbé hatte sich selbstverständlich angeschnallt. Sicher war sicher. Die hohen, wuchtigen Felsen waren erst zu ahnen. Als noch dunklere Wand standen sie gebirgsgleich in der grauschwarzen Finsternis der Nacht.
Jasper, der Fahrer, hatte das Fernlicht eingeschaltet, dessen bleiche Kegel wenig später gegen das schwarze Gestein knallten und es schimmern ließen, als würden sich in seinem Innern Silberadern befinden.
Das Auto verlor am Tempo. Jasper ließ es vor dem Eingang der Schlucht ausrollen.
Hier waren die Felsen wie Säulen gebaut, eine Laune der Natur, als hätte sie schon vor Millionen vor Jahren gewußt, was auf diese Region zukommen würde.
Arno stieg als erster aus. Er öffnete die rechte Tür des Fonds, um den Abbé herauszulassen.
»Danke«, sagte Bloch, stemmte sich auf seinen Blindenstock und blieb neben dem Wagen stehen.
Den Würfel trug er bei sich. Er hielt ihn in der linken, der freien Hand.
Der Abbé konnte es nicht sehen, er wußte trotzdem, daß sich hier die Beschaffenheit des Bodens verändert hatte. Nicht mehr graues Gestein bedeckte den Untergrund, die Farbe und die Beschaffenheit hatten gewechselt.
Jetzt war der Boden schwarz, als hätte man ihn mit Teer getränkt.
Er bestand aus erkalteter Lavaasche, die vor vielen Jahren einmal aus einem Vulkan gedrungen und in gewaltigen Bahnen ins Tal gelaufen war, wo sie erkaltete.
»Sollen wir dich begleiten?« erkundigte sich Jasper sicherheitshalber. Er wußte, daß es Situationen gab, wo der Abbé allein sein wollte. Das war jetzt nicht so.
Bloch nickte. »Ja, ich möchte, daß ihr einen Teil des Weges an meiner Seite bleibt, bis ich euch Bescheid gebe, denn den Rest der Strecke muß ich allein
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