0530 - Land der Amazonen
rekonstruieren konnte… und selbst davor zurückschreckte, ihn zu gehen… wie sollte er da Zamorra auf diesen Weg schicken?
Aber aus vielen Gründen war Zamorra der einzige, der in der Lage war, Asmodis zu helfen.
Andere würden es vielleicht tun, aber nur halbherzig, weil sie ihn nach wie vor für einen heimlichen Gegner hielten, der zumindest nicht vertrauenswürdig war.
Merlins Blick kehrte in die Gegenwart zurück. Er händigte Zamorra das Amulett wieder aus.
»Ich kenne jetzt den Weg«, sagte er. »Aber es ist besser, wenn du ihn allein gehst - oder du und Nicole. Ich glaube nicht, daß ich selbst ihn gehen kann.«
»Warum nicht?«
Merlin zögerte.
»Weil er in die Hölle führt«, sagte er schließlich.
***
Royhna gab den Befehl. Dreißig ihrer Kriegerinnen schwangen sich wie sie auf ihre Cavalceras.
Die Kaiserin hatte ihnen gesagt, wo jener zu finden war, den sie gefangennehmen und zum Palast schleppen sollten. Auch, wie er aussah - und daß er unter allen Umständen lebend gefangen werden mußte. Auch dann, wenn er sich wehrte und seine Gefangennahme Opfer forderte. Aber davor war noch nie eine Amazone zurückgeschreckt. Ihr Leben für die Kaiserin zu geben, war eine Ehre.
Sie ritten an. Unter dem düsteren Himmel galoppierten die waffenstarrenden Amazonen in Richtung Süden. Sie passierten ein kleines Bauerngehöft. Erschrocken flüchteten die Bewohner in das Haus, als die Amazonenhorde heranjagte. Einer der Sklaven war nicht schnell genug; er geriet den Reiterinnen in den Weg. Als sie, von der Staubwolke verborgen, die hinter ihnen aufwirbelte, in der Ferne verschwanden, kümmerten sich andere um das, was von dem niedergestampften Sklaven übriggeblieben war.
Keine der Kriegerinnen verschwendete auch nur einen Gedanken daran, daß soeben ein Unbeteiligter gestorben war. Keine vernahm die Verwünschungen, die ihnen nachgeschrien wurden.
Was zählte schon das Leben eines Sklaven, wenn es darum galt, einen Befehl der Kaiserin auszuführen? Was zählte überhaupt ein Leben in dieser Welt?
»Fangt Asmodis - fangt ihn lebendig!«
Nur das interessierte sie. Wer ihnen im Weg stand, war des Todes.
***
Nicole schüttelte den Kopf. »In die Hölle haben schon viele unserer Wege geführt«, sagte sie.
»Was sollte uns daran schrecken? Oder meinst du es etwa nur symbolisch?«
»Nein«, sagte Merlin rauh. Er schritt durch das Zimmer und ließ sich umständlich in einem Sessel nieder. »Es ist eine Tatsache. Stygia hat meinen dunklen Bruder in die Hölle entführt.«
»Da sollte er sich eigentlich recht gut auskennen«, meinte Nicole, »und sich deshalb durchaus selbst zu helfen wissen. Schließlich war er da unten ein paar Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende Chef.«
»Du verstehst nicht«, sagte Merlin.
»Dann wäre ich dir sehr verbunden, wenn du uns an deiner unendlichen Weisheit teilhaben ließest«, fauchte Nicole ihn an. »Muß man dir jede Erklärung einzeln aus der Nase ziehen?«
»Ich muß selbst erst damit fertigwerden«, sagte Merlin offen. »Es ist auch für mich schwer, so gravierend ist es.«
Zamorra hob die Brauen. Ein solches Geständnis hätte er von Merlin niemals erwartet. Der alte Zauberer ließ normalerweise niemanden an seinen Empfindungen teilhaben. Auch Nicole reagierte verwundert.
Merlin schwieg eine Weile. Schließlich hob er wieder den Kopf. »Ihr fühlt euch jetzt großartig, erhaben und überlegen, weil ihr mich wieder einmal bei einer Schwäche ertappt habt, nicht wahr?« sagte er.
»Unsinn«, wehrte Zamorra ab, obgleich er sich dabei eines unguten Gefühls nicht erwehren konnte.
»Komm zur Sache«, warf Nicole ein. »Entweder hast du uns Unsinn erzählt, oder es eilt wirklich. In diesem Fall solltest du nicht selbst für weitere Verzögerungen sorgen. Was also hat es mit dieser Entführung in die Hölle auf sich? Stygia steckt wirklich dahinter?«
Merlin nickte. »Natürlich. Aber sie hat etwas getan, das schier unglaublich ist. Sie hat eine Art eigene Welt geschaffen. So etwas wie eine Dimensionsblase, obgleich dieser Begriff, den ihr wohl am ehesten versteht, nicht hundertprozentig stimmt. Es ist eine Exklave, eine Auslagerung oder Erweiterung, die nur ihrer eigenen Vorstellung entstammt und die deshalb nicht real existiert.«
»Na prima«, sagte Nicole. »Das vereinfacht die Sache doch wesentlich. Wir brauchen bloß diese Exklave zu löschen, und…«
»…könnt keine bessere Möglichkeit finden, Sid Amos zu ermorden!« protestierte Merlin. »Denn er
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