0537 - Karas grausame Träume
sogar einen roten Kopf. »Das konnte ich doch nicht. Ich hätte Jane auch tagsüber mitnehmen müssen, bei ihrem Aussehen unmöglich.«
Da hatte sie recht, denn Jane Collins, die vom Schicksal Verfluchte, besaß tagsüber einen gelblichen Totenschädel als Kopf und lief nur in der Nacht mit ihrem normalen Gesicht herum.
»Da hast du dir ja eine schöne Suppe eingebrockt«, sagte ich.
»Und wie läuft es jetzt weiter?«
Sie lächelte. »Ihr werdet mir bestimmt folgen wollen. Wartet noch.«
»Gut.«
Lady Sarah zwinkerte uns zum Abschied zu und zeigte uns zweimal das Siegeszeichen. Dann schlich sie zur Tür, öffnete sie vorsichtig und war verschwunden.
Suko starrte mich an, ich ihn.
»Verstehst du das?« fragte ich ihn.
»Kaum. Ich weiß nur, daß Lady Sarah mal wieder voll in den Misthaufen gestochen hat.«
»Das kannst du laut sagen.« Ich schüttelte den Kopf. »Einen Exorzisten aus Atlantis, das gibt es doch nicht.«
»Anscheinend doch.«
»Und der hat keinen Namen. Sie nennen ihn einfach nur den Exorzisten! Wahnsinn.« Ich schnippte mit den Fingern. »Weißt du, wen ich mir jetzt hierher wünsche?«
»Myxin; wie?«
»Genau und Kara. Die könnten wahrscheinlich mehr über diese Person erzählen.«
»Gibt es die beiden überhaupt noch?«
Eine gute Frage, die Suko da gestellt hatte. Lange Zeit hatten wir keinen Kontakt mehr gehabt. Oft hatten wir an sie gedacht. Seit der Eiserne Engel jedoch verschollen war, hatten sich auch Kara und Myxin zurückgezogen. Dieses Verschwinden ihres mächtigen Helfers sahen sie als eine persönliche Niederlage an, obwohl das Unsinn war, aber das konnten wir ihnen nicht beibringen.
Seit Sarah Goldwyn uns verlassen hatte, waren ungefähr zwei bis drei Minuten vergangen. Genau die richtige Zeit, um nachzuschauen, ob sich etwas verändert hatte.
Diesmal übernahm Suko die Spitze. Behutsam bewegte er sich auf die nicht ganz geschlossene Tür zu, zog sie vorsichtig nach innen und verbreitete den Spalt gerade so weit, daß wir uns schräg durch die Lücke hindurchschieben konnten.
Wieder schlichen wir auf leisen Sohlen. Suko war zur Seite getreten und hatte mir den nötigen Platz geschaffen.
Mein Blick glitt durch die Halle.
Es hatte sich etwas verändert. Zwar sangen die Anwesenden noch immer in ihrer alten atlantischen Sprache, aber sie saßen nicht mehr, hatten sich von ihren Sitzplätzen erhoben, die Arme hochgereckt und schauten dorthin, wo sich das helle Rechteck sehr deutlich vom dunkleren Untergrund abhob.
Aus dieser Insel mußte der Exorzist erscheinen, dessen waren wir uns sicher.
Ich hatte Lady Sarah nicht extra danach gefragt, für mich allerdings gab es keine andere Möglichkeit.
Sie mußte gespürt haben, daß wir jetzt innerhalb des Tempels standen, denn sie drehte den Kopf und zwinkerte uns kurz zu.
Ich hob die Hand und gab ihr mit einer beruhigenden Geste zu verstehen, daß alles okay war.
Plötzlich verstummte der Gesang. Die letzten Echos rollten aus, Ruhe trat ein.
Nicht für lange, denn die Anwesenden begannen zu klatschen.
Es war beileibe kein normaler Beifall, sondern ein rhythmisches Geräusch, wenn ihre Handflächen aufeinander prallten. Jeder machte mit, auch Lady Sarah.
Wer das Zeichen gegeben hatte, das Klatschen einzustellen, konnten wir nicht erkennen. Aber wieder klappte es wie bei einem Befehl, der von einem Offizier gegeben worden war.
Es wurde still.
Sekundenlang tat sich nichts, bis die rechteckige Lichtinsel vor uns noch heller wurde.
Die Quelle lag irgendwo in der Tiefe verborgen. Jedenfalls gleißte das Rechteck auf, und genau darauf hatten die Anwesenden nur gewartet.
Derjenige Mann, der schon den harten Schrei ausgestoßen hatte, übernahm auch jetzt das Kommando.
Er ging einen Schritt vor und sonderte sich somit von den anderen Personen in der ersten Reihe ab.
Dann schrie er die entscheidenden Worte. »Er kommt zu uns! Der Exorzist ist endlich da…!«
Und tatsächlich erschien die Person, auf den die Männer und Frauen so lange gewartet hatten…
***
Es gab nur wenige Dinge auf der Welt, die Myxin, den kleinen Magier aus der Fassung brachten. Die meisten hingen mit seiner Vergangenheit zusammen, in diesem Fall aber sorgte er sich um Kara, seine Partnerin, denn ihr ging es nicht gut, obwohl sie schlief.
Myxin wich nicht von ihrem Lager. Er hatte sich auf die Kante gesetzt, schaute in das blaß gewordene Gesicht und stellte fest, daß die Haut dünn und verletzlich geworden war.
Kara schlief. Äußerlich war sie
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