054 - Die Gespenster-Dschunke von Shanghai
Blumen und bunte Wiesen, der andere fliegende Pferde und
riesige Schmetterlinge, mit denen er durch die Lüfte schwebt… ein dritter muß
sich mit Drachenköpfen begnügen… das alles entsteht doch in deinem eigenen Gehirn…
was da drin ist, das kommt schließlich heraus… vielleicht hast du als Kind zu
oft die Schauermärchen von den Drachenmännern gelesen? Die Schrecken, unter
denen du gelitten hast, wurden durch den Stoff freigelegt… du wirst
wiederkommen, Jasiro… Du bist nicht frei, sie haben dich in der Anstalt fertig
gemacht… Und jetzt, in der Freiheit, merkst du erst, was dir wirklich fehlt…
Komm’ mit! Ich will den ganzen Vorfall vergessen… Zum Glück ist nichts
passiert. Ich hab etwas für dich… Etwas ganz Edles… ich geb’s dir kostenlos.«
»Neeeiiinnn!« schrie Takato und stieß sich von der Wand ab. »Ich will nicht…
verstehst du, ich will nicht mehr…« Er rannte an dem grinsenden Dealer vorbei
hinaus in den Hof, eilte auf das kleine Tor in der Mauer zu und stürzte auf die
nächtliche Straße. Der Leichenwagen- Fahrer durchquerte gemächlichen Schrittes
den Hof und blieb an der weit geöffneten Tür stehen. Von dort aus blickte er
dem davonrennenden Takato nach. »Es hat keinen Sinn, Jasiro«, murmelte er
halblaut vor sich hin, »du wirst wiederkommen und mich noch auf Knien bitten,
dir etwas zu geben. Ich werde es dir geben gegen teures Geld… du wirst
gnadenlos für deine Alpträume bezahlen müssen… das garantiere ich dir!«
●
Es
blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, bis der Mann wieder im Haus
verschwunden war. Er durfte nichts von ihrer Anwesenheit wissen. Kaum zog er
jedoch die Haustür hinter sich ins Schloß, lief die junge Japanerin los. Das
Tor in der Grundstücksmauer war verschlossen. Aber das war für Keiko Yamada
kein Hindernis. Sie kletterte über die Mauer und sprang auf die Straße. Ganz
vorn lief mit schnellen Schritten ein Mann davon. Es sah aus, als wolle er vor
etwas fliehen. Keiko begann zu rennen und holte Takato schließlich ein. Er
merkte die Annäherung der Frau nicht. Als sie noch einen halben Schritt hinter
ihm war, streckte sie die Hand nach ihm aus.
»Hallo,
Jasiro«, sagte sie leise und hakte sich bei ihm ein. Er fuhr zusammen und blieb
abrupt stehen. »Keiko?« fragte er ungläubig, und seine Stimme klang belegt.
»Aber wieso… wie kommen Sie… denn… jetzt hierher?« Er blickte sie fassungslos
an. Sie lächelte verschmitzt. »Ich hatte Ihnen heute morgen doch versprochen,
daß ich Sie nicht im Stich lassen würde, daß Sie es schaffen werden.«
»Sie…
haben mich… bespitzelt?«
»So
unschön würde ich es nicht nennen. Ich habe über Sie gewacht… wie ein guter
Schutzengel.«
»Sie
wissen, wo ich… herkomme?«
»Ja.
Und ich weiß auch, was Sie mit Kimura besprochen haben.«
»Sie
kennen ihn?«
»Nein.
Ich habe seinen Namen heute nacht zum ersten Mal gehört.«
»Dann
wissen Sie auch, daß ich…«
»Daß
Sie die Absicht hatten, ihn zu erschießen? Sie bedrohten ihn mit einer Pistole.
Aber Sie hätten nicht geschossen…«
»Ja,
ja, das stimmt«, sagte er erleichtert. »Ich wollte ihn nur einschüchtern.«
»Das
sollten Sie nie wieder tun, Jasiro«, wurde Keikos Stimme eine Nuance
schärfer. »So etwas kann leicht ins Auge gehen… Auch wenn man etwas nicht will,
auf einmal passiert’s doch…«
»Nur
so konnte ich ihn zum Sprechen bringen!«
»Aber,
er hat offensichtlich nichts gewußt.« Kopfnicken. »Ja, den Eindruck hatte ich
auch.«
»Wenn
ich Ihnen helfen kann, Jasiro, müssen Sie ganz offen zu mir sein. Warum
erzählen Sie mir nicht, was Sie bedrückt und beschäftigt? Es ist meine Aufgabe,
für Sie da zu sein.«
»Es
ist Ihre Aufgabe, ja…«
»Es
klingt bitter aus Ihrem Mund. Wahrscheinlich deshalb, weil ich mich falsch
ausgedrückt habe. Es ist nicht nur, weil Sie ein Fall für die Rehabilitationsstelle sind,
Jasiro. Durch Ihre Briefe aus der Anstalt glaube ich, Sie recht gut kennengelernt
zu haben. Ich mag Sie…«
»Sie
sagen das nicht nur einfach, um mein Vertrauen zu erschleichen?«
»Nein«,
erwiderte sie kopfschüttelnd. »Es ist wahr.« Und das stimmte. Keiko Yamada
mußte sich im stillen eingestehen, daß Jasiro Takato ihr gefiel. Da legte er
seine Hände auf ihre Schultern und zog sie mitten auf der Straße an sich.
»Lassen wir das dumme Sie… einverstanden?«
»Einverstanden!«
»Komm
mit. Wir nehmen einen Drink zu uns, sehen uns eine Show an… und unterhalten uns
in
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