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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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durch die Luft, durchtrennte den Hals der Hexe. Ihr Kopf rollte über die rohen Bretter. Ein Schwall Blut schoß aus dem Rumpf.
    Ein tausendstimmiger Schrei stieg zum Himmel. Die Menschen johlten und tobten.
    „Sie ist tot. Sie ist tot. Die Hexe ist tot.“
    Es war eine entfesselte Horde, die da um die Richtplattform drängte. Eine grausame Lust hatte die Menschen erfaßt, ein wilder Taumel.
    Der Henker bückte sich, griff in die roten Haarsträhnen und hob den Kopf hoch, zeigte ihn dem Volk.
    Wieder wurde ein wildes Gebrüll laut, doch das Toben und Johlen verwandelte sich in Schreie des Entsetzens. Die Menge drängte zurück, als halte der Henker das Schlangenhaupt der Medusa in der Faust.
    Denn der abgeschlagene Kopf rollte mit den Augen, öffnete den Mund. Ein schrilles, teuflisches Lachen gellte. Männer wurden blaß, Frauen bekreuzigten sich. Kinder schrien.
    Von Entsetzen geschüttelt, wandte der Henker das Haupt und sah den abgeschlagenen Hexenkopf an. Haß sprühte ihm aus den grünen Augen entgegen. Der Kopf der Rothaarigen begann zu dem Henker zu sprechen, klar und deutlich. Der Abt, der Richter, der Graf und die andern Würdenträger auf der Plattform verstanden die Worte genausogut wie der Henker, dem sie galten.
    „Vergiß mich nicht, mein Geliebter, wie auch ich dich nicht vergessen werde. Deine ganze Sippe soll büßen, immer wieder, bis auch der letzte deines Geschlechts von der Erde verschwunden ist. Leb wohl, mein Geliebter, und denk an mich.“
    Dann brachen die grünen Augen. Der Henker öffnete die Faust. Mit einem dumpfen Laut fiel der rothaarige Kopf auf die rohen Dielenbretter. Der Henker ging davon, zwischen den entsetzten, erstarrt stehenden Menschen hindurch. Sie wichen vor ihm zurück, bildeten eine Gasse für ihn, als habe er die Pest.
    Ein zuckender Blitz spaltete die finstere, tiefhängende Wolkendecke über dem Platz. Einen Sekundenbruchteil später folgte ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Der Himmel öffnete seine Schleusen. Ein orkanartiger Sturmwind fuhr in die Menge. Ein Gewitter brach los, wie es noch niemand erlebt hatte. Als tobten alle entfesselten Mächte der Hölle.
     

     

Josepha stolperte durch den Wald hinter der Stadt. Sie zitterte vor Angst. Ihr Atem ging stoßweise. Längst hörte sie Pauls Stimme nicht mehr. Ihr Herz hämmerte, daß sie glaubte, es müßte ihre Rippen sprengen.
    Mit grauenhafter Deutlichkeit erinnerte sich Josepha an den furchtbaren Traum, den sie auf den Altarstufen der Kapelle gehabt hatte.
    Sie wurde auf einem offenen Karren zur Richtstätte gefahren. Ihre Hände waren gefesselt. Eine johlende Menge umringte sie. Einige griffen nach ihr, andere riefen ihr unflätige Schimpfworte zu. „Die Hexe“, hieß es immer wieder. „Da fährt sie hin zu ihrem Liebhaber und dem Satan. Seht sie euch an, die Hexe, die Hexe!“ Auf einem kleinen Platz wurde sie unsanft vom Karren gestoßen und zur Richtstätte gezerrt. Sie weinte und flehte um Gnade, doch niemand hörte auf sie. Plötzlich stand sie vor dem Henker. Er hielt ein klobiges Schwert in den Händen. Als Josepha ihn anschaute, gerann ihr das Blut in den Adern: der Henker war Paul. Paul Warringer, der Mann, den sie liebte.
    Der Traum war so realistisch gewesen, daß Josepha jetzt noch am ganzen Körper zitterte. Ihr Kopf schmerzte. Bilder wirbelten durcheinander wie bei einem Kaleidoskop. Die defekte Lichtmaschine, der primitive Gasthof, das Umherirren im verlassenen Dorf, die schwarzhaarige Frau im dunklen Hausflur. Und dann? Was dann?
    Josephas nächste Erinnerung war die Kapelle. Sie lag auf den Altarstufen, jemand schüttelte und rüttelte sie. Als sie die Augen öffnete, sah sie über sich das Gesicht ihres Henkers. Ganz im Bann des Traumes noch, floh sie schreiend in die Nacht.
    Nun wußte Josepha nicht mehr, wo sie war. Ihre Fuße schmerzten, sie war vollkommen erschöpft. Sie lehnte sich an einen Baumstamm, versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
    Der Mond tauchte zwischen den jagenden Wolkenfetzen auf. Doch sogar er, der stille Begleiter der Nacht, sah anders aus als sonst. Bleich und verzerrt, wie ein Totenkopf. Sein Licht war wächsern und konnte nicht in die Schatten unter den mächtigen, uralten Eichen eindringen. Verdorrte Äste reckten sich gespenstisch rund um die kleine Lichtung, auf der Josepha stand.
    Da hörte sie ein leises Trällern. Es kam immer näher. Eine schöne junge Frau schritt im Mondlicht auf Josepha zu. Sie trug einen langen, roten Rock und eine weiße Bluse. Das

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