054 - Todesfahrt um Mitternacht
und suchte sein Heil in der Flucht.
Aber Murdock Vidor war schneller.
Schon nach wenigen Schritten holte er den Fliehenden ein, und sein Prankenhieb schleuderte Quinn zu Boden. Lang schlug der Mann hin. Er verlor ein Banknotenbündel, aber Geld hatte in dieser Situation nichts mehr zu bedeuten. Wenn das Leben nur noch an einem seidenen Faden hängt, wird Geld zur größten Nebensächlichkeit.
»Hilfe!« brüllte Robin Quinn. »Hiiilfeee!«
Krallen wühlten sich in sein Fleisch, und er kreischte seinen Schmerz heraus. Murdock Vidor riß ihn auf die Beine und biß zu.
Die Ohnmacht erbarmte sich des Mannes.
Er drohte zusammenzusacken, aber Murdock Vidor fing ihn auf und trug ihn fort. Er zog sich mit Quinn in die Gruft zurück und vollendete dort sein grausiges Werk.
***
Ich hasse Krankenhäuser, und wenn es geht, mache ich einen großen Bogen um sie. In dieser Hinsicht ergeht es mir wie vielen anderen Menschen auch. Jeder akzeptiert die Notwendigkeit dieser Medizinburgen, aber keinen zieht es hinein - abgesehen jene, die darin arbeiten.
Obwohl es keinen in die Hospitäler drängt, sind sie doch jahrein, jahraus überfüllt, das kam mir erst zum Bewußtsein, als ich selbst in der Klinik lag.
Alle waren nett und freundlich zu mir, aber ich fühlte mich trotzdem nicht wohl. Seit zwei Tagen drehten sie mich durch den Wolf. Nichts ließen sie aus, EKG, EEG, Blutsenkung, Harntest, Zuckerbelastung, Ultraschall, Scanner… Sie waren wirklich sehr gründlich, gaben mir alles mögliche Zeug zu trinken, spritzten mir Kontrastmittel und Isotopen, durchleuchteten mich von allen Seiten und testeten meine Reaktion auf dies und jenes.
Aber sie fanden nichts.
Nach Ansicht der Mediziner war es geradezu eine Beleidigung ihres Berufsstandes, wie gesund ich war.
Natürlich gefiel ihnen das nicht, deshalb machten sie weiter. Es war erstaunlich, was sie noch für Mätzchen auf Lager hatten.
Wenn einer so gesund ist wie Tony Ballard, muß er krank sein, sagten sie sich und trieben immer schlauere Spielchen mit mir. Computer wurden befragt und gaben Auskunft, daß meine Werte völlig normal wären.
Psychiater drangen mit ihren neugierigen, manchmal recht indiskreten und deshalb auch peinlichen Fragen bis in das tiefste Innere meiner Seele vor, und alle mußten resignieren und zugeben, daß ich stinknormal war.
Woher aber kamen meine Beschwerden?
Niemand wußte es, aber der Chefarzt und sein Team gaben die Hoffnung nicht auf, es herauszubekommen.
Gestern hatte mich Mr. Silver kurz besucht. Nach ihm waren Vicky Bonney und Cruv gekommen, und die beiden hatten versprochen, heute wieder nach mir zu sehen.
Ich erwartete sie ungeduldig. Als sich endlich die Tür öffnete und Vicky mit dem häßlichen Gnom eintrat, fiel die Spannung von mir ab wie eingetrockneter Schlamm.
Keine besonderen Vorkommnisse, hatte es gestern geheißen, und ich sah meiner Freundin und dem Knirps im Maßanzug, mit Gehstock und Melone an, daß sie mir wieder nichts Neues zu berichten hatten.
Vicky küßte mich, und ich tippte dem Gnom freundschaftlich auf den Hut.
»Wie geht es euch?« fragte ich.
»Wir sind nicht im Krankenhaus«, sagte Vicky. »Dreh den Spieß nicht um, Tony. Es liegt bei uns, diese Frage an dich zu richten. Was haben sie heute alles mit dir angestellt?«
Ich zählte die Scherze, die sich die Ärzte mit mir erlaubt hatten, der Reihe nach auf.
Cruv grinste.
»Was gibt's zu grinsen?« fragte ich ihn unwirsch.
»Ich bin froh, daß ich kein Mensch bin«, sagte der Knirps. »All die Dinge wären mir zutiefst zuwider.«
»Denkst du, sie sind es mir nicht?«
»Ich glaube, ich würde bei Nacht und Nebel ausrücken.«
»Keine schlechte Idee«, sagte ich.
»Vergiß nicht, du bist freiwillig hier«, sagte Vicky Bonney. »Deshalb wirst du die Klinik auch erst verlassen, wenn der Chefarzt dir grünes Licht gibt.«
»Ich habe das Gefühl, er sieht sich in meinem Fall überfordert«, bemerkte ich. »Er hat sich's ein bißchen leichter vorgestellt, und ich wette, er ist mit seinem Latein bald am Ende. Aber sprechen wir nicht über mich. Erzählt mir von Murdock Vidor, das ist interessanter.«
»Leider gibt es diesbezüglich keine Neuigkeiten, Tony«, sagte Vicky bedauernd. »Nachdem Vidor kurz auftauchte, verschwand er spurlos in der Versenkung.«
»Er wartet auf seine Chance«, sagte ich und nickte ernst.
Cruv sagte, man hätte die übel zugerichtete Leiche eines Taxifahrers in einem Betonkanal beim alten Themsehafen
Weitere Kostenlose Bücher