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0541 - Der Sohn des Höllenfürsten

0541 - Der Sohn des Höllenfürsten

Titel: 0541 - Der Sohn des Höllenfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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die freudige Botschaft schon mitgeteilt?«
    »Natürlich nicht. Wie konnte ich das tun? Es wäre ein Kind der Sünde! Gerade deshalb müssen wir so schnell wie nur möglich heiraten. Dann fällt es nicht auf. Und wenn wir eine gute Ehe führen, wird vielleicht auch niemand etwas sagen, wenn das Kind ein paar Wochen zu früh gehören wird…«
    Tendyke nickte.
    »Noch heute halte ich um Eure Hand an«, versprach er ihr.
    ***
    Trier, 1995:
    »Das meintest du also mit ›ungeschickt angestellt‹«, schmunzelte Nicole. »Man könnte es tatsächlich so nennen. Aber ich bin sicher, daß Zamorra in dieser Hinsicht wirklich - äh - vorsichtiger ist.«
    »Kannst du dir nicht vorstellen, daß er eine Gelegenheit ausnützen würde, wenn sie sich ihm böte?«
    Nicole schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß, daß er mir treu ist. Genauso, wie ich ihm treu bin.«
    »Und ich war damals ein Dummkopf«, sagte Tendyke. »Ich war jung und ein wenig verliebt - und leichtsinnig. Sie bekam das Kind. Wie ich später erfuhr, starb sie im Kindbett, so wie meine Großmutter gestorben war. Und das Kind lebte gerade ein halbes Jahr länger.«
    Nicole atmete tief durch. »Wie du später erfuhrst?«
    »Ich war damals schon lange nicht mehr bei ihr«, sagte er. »Ich war ein feiger Hund und Lügner. Ich habe sie nicht zur Frau genommen. Ich bin geflohen -ins Kloster.«
    »Du? Ins Kloster? Ich fasse es nicht«, stieß Nicole hervor. »Du willst mir einen Bären aufbinden!«
    »Nein, Gefährtin meines Freundes. Ich bin zu den Franziskanern gegangen. Passend, nicht wahr? Die absolute Armut. Meine prachtvolle Kleidung, das Geld, das ich zusammengewürfelt hatte und den Dolch mit den Edelsteinen packte ich in eine Kiste und habe sie vergraben. Mir war klar, daß ich es bei den Mönchen nicht lange aushalten würde. Aber ich mußte erst einmal sehr schnell von der Bildfläche verschwinden. Und das war für mich die sicherste Methode. Henri Dubois besaß Macht und einen langen Arm. Er hätte mich überall finden können. Doch als Mönch bist du nicht mehr der, der du vorher warst. Du hast eine völlig andere Identität. Und niemandem, der nach dir fragt, wird Auskunft gegeben. So trug ich die härene Kutte und lernte eine ganz andere Form des Lebens. Ich, der Sohn des Teufels. Du wirst es vielleicht nicht glauben - es hat mir sogar gefallen. Plötzlich war ich unter Menschen, für die Armut kein Makel war, sondern eine Tugend. So hatte mich meine Ver gangenheit, der ich entfliehen wollte, in gewisser Hinsicht doch wieder eingeholt. Das Leben geht manchmal die verrücktesten Wege…«
    »Manchmal… Antoinette starb, das Kind ebenso. Was hast du gefühlt, als du es erfuhrst? Was hast du damals gedacht? Selbstvorwürfe? Immerhin mochtest du die Frau doch wohl.«
    »Keine Selbstvorwürfe. Was hätte ich ändern können? Meine Mutter hatte mich eine Menge an Kräuterkunde gelehrt, und auch etwas Zauberei. Aber in diesem Fall hätte ich nichts tun können. Sie wäre so oder so gestorben, und das Kind wohl auch. Ich weiß nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen war; ich konnte es nie in Erfahrung bringen. Was ich fühlte?«
    Er nahm einen kleinen Schluck aus dem Whiskeyglas.
    »Ich fühlte Trauer, Bedauern, weil ich ihr niemals sagen konnte, warum ich sie einfach so verließ. Als ich floh, als ich ins Kloster ging, dachte ich, vielleicht könnte ich ihr irgendwann später einmal eine Botschaft zukommen lassen, in der ich ihr mein Verhalten erklärte. Aber sie starb vorher. Das bedrückt mich. Sie starb mit meiner Lüge. Das habe ich nicht gewollt.«
    Er trank abermals.
    »Allerdings hat die Zeit im Kloster mir sehr viel gebracht. Ich war Novize. Nach einem Jahr nahmen sie mich dann richtig auf. Bruder Romanus nannte ich mich. Ich lernte viel, sehr viel sogar. Und vor allem lernte ich, mich selbst zu finden und mich zu kennen. Ich glaube, es war die für mich wichtigste Zeit in meinem Leben. Ich lernte das Wichtige vom Wertlosen zu unterscheiden, ich erfuhr, was ich mir selbst wert bin. Es war alles nicht immer so wie in meinen Träumen. Aber ich fand den Weg, Traum und Wirklichkeit auseinanderzuhalten und mit beidem zu leben, ohne etwas zu verdienen. Ich lernte endlich richtig lesen, schreiben, rechnen, ich lernte zeichnen und malen, ich lernte gärtnern, und ich lernte fremde Sprachen. Latein und Griechisch zum Beispiel, aber auch Hebräisch und Arabisch, sogar ein wenig Sanskrit. Und das, obgleich es sich um Sprachen von Ländern handelte, die dem

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