0543 - Die Fliegen-Königin
Suko kund.
Da hatte er recht. Man konnte Elvira Klein durchaus als dunkelhaarige Schönheit bezeichnen. Sie wirkte auf mich allerdings etwas herb. Ihr Gesicht zeigte einige harte Züge, auch die Augen waren nicht dazu angetan, um Lächeln oder Optimismus zu verbreiten. In ihrem Blick lag etwas Kaltes, Berechnendes. Dunkle Augenbrauen wuchsen wie geschwungene Balken in die Stirn hinein. Der Mund hatte Überbreite, das schwarze Haar war dicht wie Wolle.
»Das also ist sie«, sagte ich leise. »Auf wie alt schätzt du sie?«
»Ende Zwanzig würde ich sagen.«
»Das kommt auch meiner Schätzung nahe.«
Ich legte die Bilder wieder zusammen. »Wir werden zu Sir James gehen und anschließend weitersehen.«
»In Liechtenstein war ich noch nie«, meinte Suko. »Vielleicht habe ich davon mal geträumt.«
»Ich dachte immer, du träumst von Shao.«
»Jetzt wieder, wo ich weiß, daß sie nicht die Seiten gewechselt hat.« Er spielte mit der Antwort auf unseren letzten Fall an, wo Shao ihn fast erschossen hätte.
Sir James hatte die Mittagspause ausfallen lassen und wartete auf uns. Er rührte in einem kleinen Becher herum, in dem sich ein Zeug befand, das nach Magerquark aussah.
»Erfolg gehabt?«
»Ich glaube, da waren wir richtig, Sir.«
»Dachte ich es mir.« Er schob den Becher zur Seite, damit ich Platz für die Fotos bekam. Als sie ausgebreitet vor ihm lagen, schaute er sich die Frau an. Sehr lange, nachdenklich, auch kopfschüttelnd.
»Ich für meinen Teil kann nicht erkennen, was diese Person mit Fliegen oder ähnlichem Getier zu tun haben könnte. Sie etwa?«
»Nein!«
Er lehnte sich zurück. »Glauben Sie, daß Elvira Klein trotzdem diejenige ist, die hinter allem steckt?«
Wir nickten.
»Darm fahren Sie nach Liechtenstein. Aber geben Sie acht! Fangen Sie niemals Fliegen und töten Sie sie. Das könnte ihr Ende bedeuten.«
»Sie sagen es, Sir.« Ich deutete auf ein bestimmtes Bild. »Ich bin gespannt, ob wir im Hotel Bergfirst noch Zimmer bekommen.«
»Wenn nicht, müssen Sie eben im Stall schlafen. Zurück zur Natur, John. Das ist heute Mode.«
»Meinen Sie, Sir?«
»Jedenfalls habe ich es neulich in einer Zeitung gelesen. Ihr Freund Bill Conolly hatte den Artikel geschrieben.« Sir James lächelte. »Der wird es schließlich wissen…«
***
Es war Vollmond, und damit begann wieder ihr Kribbeln.
Manche Frauen behaupten, wenn sie bestimmte Männer sehen, für die sie schwärmen, Schmetterlinge im Leib zu haben. Ähnlich erging es auch Elvira Klein.
Nur dachte sie dabei nicht an Schmetterlinge. Es waren die Fliegen, zu denen sie sich hingezogen fühlte.
Zudem ging es ihr gut. Sie wußte jetzt, daß ihre Rache eingetroffen war. Es hatte mal wieder einen Toten gegeben, diesmal im fernen London. Schließlich spielte es keine Rolle, wo die Menschen starben. Ob bei ihr in Liechtenstein, London oder New York.
In den letzten Jahren hatten die Kleins das Hotel ausgebaut und auch entsprechendes Personal eingestellt. Sogar Peter, Elviras Freund aus Kindertagen, arbeitete im Haus. Er machte seine Sache als Chef der Bar und des kleinen Cafés ausgezeichnet, so daß sich vor allen Dingen Elvira darum nicht mehr zu kümmern brauchte.
Von ihrer kleinen Dachwohnung aus besaß sie einen unverbauten Blick in die Bergwelt Graubündens, dem größten Schweizer Kanton, mit der alten Hauptstadt Chur.
Sie fuhr oft in die Schweiz, hin und wieder nach St. Moritz und auch ins Tessin.
An diesem Abend hatte sie etwas anders vor. Das Kribbeln war da, und ihr Blick glitt zu dem Wald.
Hochwald, der an den Hängen wuchs. Sehr grün, noch frisch aussehend und die gewaltigen Felssteine mit ihren Spalten und Klüften verdeckend. Die Abendwolken waren aufgezogen. Aber noch glühte der Himmel unter den Strahlen der versinkenden Sonne.
Umgezogen war sie.
Weiche Turnschuhe, die den Knöcheln trotzdem Halt gaben, eine Hose aus grauem Jeansstoff, darüber einen dünnen Pullover und die schwarze Lederjacke. Das lange Haar hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
So verließ sie ihr Zimmer, lief die teppichbedeckten Stufen hinab, erreichte die Kleine Halle, wo ihr Vater hinter der Rezeption stand und Zeitung las.
»Du willst noch mal weg?«
»Ja.«
»Nach Vaduz?«
Elvira lächelte ihren Vater an. »Vielleicht. Jedenfalls nehme ich den Wildcat.« Der Wildcat war ein Geländewagen, der auch sehr steile Hänge schaffte.
Herbert Klein nickte. »Du kannst ihn haben, wir brauchen ihn heute nicht
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